Gemeinsam mit der Projektleiterin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Thüringen Susanne Zielinski habe ich heute in einer Pressekonferenz den aktuellen Bericht zu Antisemitischen Vorfällen in Thüringen 2024 vorgestellt. Zuvor wurde der Bericht im Kabinett diskutiert. Bei der Pressekonferenz habe ich zur Einordnung des Berichts aus Sicht der Landesregierung erklärt:
“Seit dem Beginn der Erfassung antisemitischer Vorfälle durch die Meldestelle RIAS ist die Zahl der gemeldeten Fälle in jedem Jahr gestiegen und hat nunmehr einen traurigen neuen Höchststand erreicht.
Der Antisemitismus ist auf der Straße und noch viel alarmierender im Internet zu sehen und zu hören und bedroht jüdische Menschen ganz direkt. Dies ist empörend und war viele Jahrzehnte nicht vorstellbar.
Die Dokumentation dieser Fälle durch RIAS soll wachrütteln und die Politik sowie Zivilgesellschaft zu einem entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus und Judenhass auffordern. Es reicht nicht, Antisemitismus nur zu erkennen, sondern ihm muss auf allen Ebenen entschlossen entgegengetreten werden.
Die Landesregierung nimmt das Thema des zunehmenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft sehr ernst und hat sich deshalb heute in einer Kabinettssitzung mit dem aktuellen RIAS-Bericht zu antisemitischen Vorfällen im Jahr 2024 auseinandergesetzt.
Der ernüchternde und traurige Trend aus anderen Bundesländern setzt sich leider auch in Thüringen fort und es ist zu befürchten, dass mit der deutlichen Zunahme an gemeldeten Fällen auch nur die traurige Spitze des Eisbergs zu sehen ist und die Dunkelziffer um ein vielfaches höher ist.
RIAS ist essentieller Bestandteil der Bekämpfung des Antisemitismus. Der Bericht liefert die Zahlen und erklärt die Entwicklung und bietet damit die Grundlage für Handlungsaufträge. Der Bericht geht über die Zahlen der Ermittlungsbehörden hinaus.
In Thüringen kann derzeit keine Veranstaltung mit jüdischem oder Bezug zu Israel mehr stattfinden, ohne den Schutz der Polizei. 90 Ermittlungsverfahren und 127 daraus folgende Maßnahmen beispielsweise bei Hasspostings sprechen eine deutliche Sprache. Vielen Dank der Polizei und den Sicherheitsbehörden.
Gespräche mit der jüdischen Landesgemeinde zeigen aber auch, wie groß die Sorgen und die Angst sind. Die Zahlen von RIAS belegen, dass diese Sorgen begründet sind.
Unwissenheit über die Ursachen und Wirkung von Antisemitismus und Bildungsdefizite über antisemitische Stereotype führen, häufig nicht vorsätzlich, aber zu grobfahrlässigen und gefährlichen Äußerungen. Die gesamtgesellschaftliche Verbreitung des Antisemitismus nimmt so zu, auch angesichts der aktuellen Situation in Gaza.
Diese Menschen sind zu erreichen, allerdings bedarf es dazu an Projekten und Bildungsprogrammen an Schulen, Universitäten sowie in der Erwachsenen- und Jugendbildung.
Wesentlich deutlicher und aggressiver tritt hingegen Antisemitismus bei Menschen mit einem geschlossenen Weltbild auf. Diese sind sich zumeist der Wirkung bewusst und setzen ihre Aussagen und Handlungen bewusst ein. Im rechtsextremistischen Spektrum als Antisemitismus und Judenhass.
Im linksextremistischen Spektrum als israelbezogener Antisemitismus und Hass. Erschreckend ist hier die dramatische Zunahme in linken, emanzipatorischen und akademischen Milieus. Es ist ein ausgesprochen schwieriger Zugang zu diesen Menschen und ohne ein Aufbrechen des geschlossenen Weltbildes sind kaum Änderungen erreichbar.
Religiös geprägter muslimischer Antisemitismus, in Thüringen überwiegend von Migranten geprägter Antisemitismus, äußert sich oft in Denkmustern in Ablehnung anderer Religionen und dem eigenen Wahrheits-/Überlegenheitsanspruch. Hass auf Juden und Israel wurde jahrzehntelang gepflegt und in den Familien weitergegeben. Maßnahmen zur Prävention fehlen hier.
Zum Abschluss aber etwas Positives. Es geht uns immer wieder auch darum jüdisches Leben sichtbar und erlebbar machen. Dies gelingt in Thüringen Dank Yeddish Summer Weimar, Achava und den Jüdisch-Israelischen Kulturtagen sehr gut. Die drei mehrwöchigen Festivals leisten einen wichtigen Beitrag dazu. Begegnungs- und Kulturangebote wie diese wünsche ich mir und hoffentlich irgendwann auch wieder Jugendaustauschprojekte mit Israel.
Die RIAS-Studie liefert wertvolle Zahlen und Erklärungen. Ich danke ausdrücklich für die wichtige Arbeit.”