Seit sieben Jahren gibt es in Arnstadt die Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige und Menschen mit Demenz. Nadine Lopuszanski, die Leiterin der Pro Seniore Residenz am Dornheimer Berg hat die Selbshilfegruppe mit initiiert und heute fand in den Räumen der Pro Seniore Residenz der 1. Arnstädter Selbsthilfetag statt.
Als Beauftragter des Freistaats Thüringen für das Zusammenleben der Generationen habe ich gerne bei der Veranstaltung ein Grußwort zum Thema gehalten.
Für mich verbinden sich mit dem Thema Demenz mehrere Aspekte:
Der erste Aspekt ist die Aufgabe, den jüngeren Generationen immer wieder klar zu machen, dass jegliche klischeehafte Gleichsetzung von Alter und Demenz falsch ist.
Sicher steigt nach den Statistiken das Risiko zu erkranken mit dem Alter, aber dennoch ist es nicht das schicksalhafte Los der Mehrheit der Seniorinnen und Senioren.
In den Mediendarstellungen wird allerdings nicht immer ausreichend deutlich, dass z.B. bis zum Alter von 80 Jahren das Risiko einen Wert von 7% nicht übersteigt.
Das Klischee trifft aber alle älteren Menschen, mit seiner Tendenz sie von der aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben auszuschließen, ihnen gesonderte Refugien zuzuweisen und nichts mehr von ihnen zu erwarten.
Aber so wird diese klischeehafte Haltung selbst zum Risikofaktor, denn das Gefühl abgestempelt und abgeschoben zu sein, kann auf keinen Fall hilfreich sein.
Der zweite Aspekt im Zusammenhang mit Demenz heißt, zwar nicht falsche Klischees bedienen, aber dennoch die Aufgabe nicht kleinreden. Die Verschiebung in der Altersstruktur der Generationen, der sogenannte demografische Wandel, bringt es ganz einfach mit sich dass die absoluten Zahlen der Betroffenen deutlich ansteigen werden. Es wird nicht bei den rund 37.000 Menschen mit einer Demenzerkrankung in Thüringen bleiben, von denen man jetzt ausgeht. Dazu müssen im Pflegebereich die richtigen Antworten gefunden werden.
Die jüngsten Reformschritte in der Pflegeversicherung gehen dabei in die richtige Richtung. Wir müssen wegkommen von einer Situation, in der nur die Defizite gesehen werden und man in der sogenannten „Minutenpflege“ versucht, mit der Stoppuhr in der Hand den Unterstützungsbedarf zu messen, sondern auch und gerade für demenziell Erkrankte den Zuwendungsbedarf viel stärker in den Blick nehmen.
Die Bundesregierung hat genau vor einer Woche beschlossen, den Entwurf des 1. Pflegestärkungsgesetzes in den Bundestag einzubringen, mit dem Ziel, dass es zu Beginn des nächsten Jahres in Kraft tritt. Menschen in der sogenannten Pflegestufe 0, also vor allem Demenzkranke, werden erstmals Anspruch auf Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege erhalten. Niedrigschwellige Angebote sollen durch die Einführung neuer zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen gestärkt werden, etwa für Hilfe im Haushalt oder Alltagsbegleiter und ehrenamtliche Helfer.
Erfreulich ist auch, dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff mit seinen 5 Pflegestufen nach langer Diskussion seiner Realisierung näher rückt.
Ab Sommer soll in zwei Modellprojekten bundesweit erprobt werden, wie ein neues Begutachtungsverfahren, das nun auch geistige Defizite einbezieht, funktionieren kann.
An diesen Reformschritten wir ein weiterer Aspekt deutlich, der mir in diesem Zusammenhang wichtig ist, die Differenzierung. Gegen falsche Klischees und gegen ein Erschrecken vor der Größe der Aufgabe hilft ein differenzierter Blick. Demenzerkrankungen haben nun einmal die verschiedensten Ursachen, Verläufe und Schweregrade.
Und damit komme ich zum letzten Aspekt: Differenzierung heißt für mich auch, wir müssen noch stärker auf die Betroffenen selbst und ihre Angehörigen hören, wo sie selbst Stärken und Schwächen sehen.
Bei Stärken denke ich zum Beispiel an die Ausstellung von Kunstwerken von Menschen mit Demenz vor zwei Jahren, bei deren Eröffnung der Künstler Lothar Krone seine Werke erläuterte, oder an die Lesung von Helga Rohra aus ihrem Buch „Aus dem Schatten treten“.
Bei Stärken denke ich auch an die Angehörigen, die nach wie vor den größten Teil der Pflege leisten, eine im wahrsten Sinne des Wortes „starke Leistung“.
Aber dafür verdienen sie nicht nur Dank und Anerkennung, sondern auch die Unterstützung, die sie brauchen.
Wie es zum Beispiel Frau Prof. Wilz an der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Kooperation mit der Deutsche Alzheimer Gesellschaft erforscht, in einer Studie zur telefonischen Beratung von pflegenden Angehörigen durch qualifizierte Psychologen. Wie kaum anders zu erwarten, zeigte sich bereits in der ersten Phase der Studie, wie groß die Gefahr sein kann, durch die volle Konzentration auf die Pflegeaufgabe das eigene Wohlergehen zu vernachlässigen und soziale Kontakte einzuschränken.