Großes Interesse am Thema (Foto Aktionsbündnis)
Im Rahmen der Aktionswoche IDAHOT (International Day Against Homophobia & Transphobia) vom 12. bis 17. Mai haben der StuRa der Universität Erfurt und ein Aktionsbündnis verschiedener Gruppen am Montagabend zu einer Podiumsdiskussion zum Thema “Homophobie in unserer Gesellschaft” eingeladen.
Als Ansprechpartner der Landesregierung zu Antidiskriminierungsfragen habe ich dabei in der Erfurter Universität mit dem Staatssekretär im Thüringer Kultusministerium Prof. Dr. Thomas Deufel, der Gleichstellungsbeauftragten der Uni Prof. Dr. Sabine Schmolinsky, dem Sprecher der AG Diversity der GEW Markus Felix unde vielen Studentinnen und Studenten diskutiert.
Mit dem Beitritt Thüringen1 2013 als erstes unionsgeführtes Land zur Koalition gegen Diskriminierung ist dies auch für uns ein wichtigeres Thema geworden. Die Zusammenarbeit mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hilft dabei. Mein wesentliches Aufgabengebiet ist es neben der direkten Beratung der Betroffenen eine Verweisberatung vor Ort zu stärken, Netzwerktätigkeit zu unterstützen und Fortbildung zu organisieren.
Unter den 6 Diskriminierungstatbeständen: ethnische Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Alter, Religion oder Weltanschauung und sexuelle Identität, sind die Beratungsfälle wegen sexueller Identität in der Statistik der ADS mit rund 5% der Fälle vertreten. In Thüringen ist es nach meiner Einschätzung eine ähnliche Dimension, das bedeutet es gibt in der Statistik Bereiche die deutlich stärker auftreten. Dennoch sehe ich in diesem Bereich einen Schwerpunkt der Antidiskriminierungsarbeit. Die Veranstaltungsreihe „Versteckspieler“ mit Marcus Urban zu Homophobie im Fußball haben wir in den letzten Wochen organisiert und in vier Städten durchgeführt.
Homophobie, um die es bei dem Diskussionsabend ging, ist einerseits ein etwas merkwürdiger Begriff: Arachnophobe haben Angst vor Spinnen und die Homophoben haben offensichtlich Angst vor Homosexuellen? Aber anderseits ist er hilfreich, da er ausdrückt, dass das Problem nicht bei den Homosexuellen liegt, sondern bei denjenigen, die sie anfeinden.
Ich verkenne dabei auch nicht, dass eine oft nur oberflächliche Toleranz ebenfalls zu hinterfragen ist. Als Beispiel die „typische Situation“:
A sagt: „Oh, du bist schwul. Keine Angst, ich habe kein Problem mit Homosexuellen.” B antwortet: „Keine Angst, ich habe auch kein Problem mit Heterosexuellen.”
Eine wirkliche gesellschaftliche Akzeptanz ist erst dann erreicht, wenn jemand nicht mehr als „anders“ ober „besonders“ angesehen wird. Auch der Begriff der Toleranz, zu Deutsch Duldsamkeit, ist für sich schon schwierig zu sehen. Das hat schon der alte Goethe so gesehen. Zitat: „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“
Das Vorgehen gegen Homophobie führt zunächst zur Frage nach den Ursachen:
Häufig wird vermutet, dass Homophobe sich aufwerten wollen, indem sie andere abwerten und dass Homophobie ein einzelnes Symptom eines Syndroms namens „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ sei (siehe die bekannten diesbezüglichen Untersuchungen des Bielefelder Soziologieprofessors Heitmeyer). Dafür könnten wiederum Deprivationserfahrungen, eigene Benachteiligungserlebnisse ursächlich sein. Deprivation (lat. deprivare ‚berauben‘) bzw. soziale Deprivation ‑ soziale Ausgrenzung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Randgruppe und/oder Armut) ist damit gemeint. Wenn dies zutreffend wäre, dann wäre Homophobie eine Begleit- bzw. Folgeerscheinung sozialer Probleme und nur gemeinsam mit diesen zu lösen.
In eine etwas andere Richtung zeigt jedoch der Thüringen-Monitor 2013. Darin steht unter anderem: „Anders als bei anderen Ausgrenzungs- und Abwertungsneigungen gibt es im Falle homophober Einstellungen keinen statistischen Zusammenhang mit subjektiver Deprivation, dafür aber wiederum deutlich mit Alter … und Bildung, nämlich dahingehend, dass jüngere und besser qualifizierte Thüringer_innen wesentlich toleranter sind.“
Das hieße, die beste Homophobie-Prophylaxe ist Bildung und darüber haben wir bei der Podiumsdiskussion auch intensiv gesprochen.
Ein dritter Ansatz ist die Kontakthypothese: dass sich Vorurteile am besten durch direkten Kontakt mit den „Vor“-Beurteilten auflösen lassen, das heißt, wenn möglich, wenn es die Bedingungen zulassen, selbst bewusst Auftreten und sich nicht verstecken. Gestärkt werden können Betroffene in unserer Gesellschaft überall. Unterstützung von Mitstudenten gehört ebenso dazu, wie die Veranstaltungswoche des Aktionsbündnisses in dieser Woche.
Beim Fanprojekt in Jena
Als Ansprechpartner der Thüringer Landesregierung für das Thema Antidiskriminierung bin ich gemeinsam mit der Landeszentrale für Politische Bildung in Thüringen Veranstalter der Lesungsreihe mit Markus Urban.
In Gera, Jena, Weimar und Erfurt liest Marcus Urban dabei aus seinem Buch und diskutiert anschließend mit Trainern und Fußballern zum Thema Homophobie im Fußball. Bei der heutigen Buchlesung in Jena waren der Cheftrainer des FC Carl Zeiss Jena Andreas Zimmermann, Mannschaftskapitän Tino Berbig und Matthias Stein vom Fanprojekt Jena die Gesprächspartner der von Kathrin Schuchardt moderierten Podiumsdiskussion.
Großes mediales Interesse begleitet die Lesereihe. Der MDR und Jena TV waren vor Ort und auch in der Printpresse fanden sich mehrere Artikel im Vorfeld der Veranstaltung.Bei meiner Einführung in den Abend habe ich deutlich gemacht, warum das Engagement gegen Homophobie im Fußball so wichtig ist.
Von den sechs Diskriminierungsgründen die das AGG, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, nennt ‑ ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität – machen in der Statistik der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die Beschwerden und Anfragen wegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität nur wenige Prozent aus (4,8 %, nur im Bildungsbereich: 5,8%).
Dennoch zeigt gerade dieser Bereich, wie weit wir noch vom Ziel einer diskriminierungsfreien Gesellschaft entfernt sind. Offen homophobe Äußerungen findet man zwar eher in der islamischen Welt und in südlichen Ländern, die stärker von einer Macho-Kultur geprägt sind, aber die Vorbehalte gegen Homosexuelle sind auch in unserer Gesellschaft latent sehr stark vorhanden.
Mit Marcus Urban und Cheftrainer Andreas Zimmermann
Wie sonst ist es zu erklären, dass sich bisher keine aktiven Profispieler der Fußball-Bundesliga geoutet haben?
Das geschieht nicht nur aus Sorge vor dummen Sprüchen unter der Dusche – „Ach, jetzt muss man ja aufpassen, wenn man sich nach der Seife bückt“ – sondern aus der Angst vor den massiven Anfeindungen, vor dem enormen psychischen Druck, mit dem gerade in der Fußballwelt gerechnet wird. Eine Welt, die manche anscheinend für das letzte Reservat der echten Kerle halten.
Wir wissen, dass in dieser Vorstellungswelt Homophobie kein isoliertes Phänomen ist. Aus den Untersuchungen des Soziologen Wilhelm Heitmeyer zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und aus den Analysen des Thüringen-Monitors wissen wir, dass wir es mit einem zusammenhängenden Einstellungsmuster zu tun haben, in welchem sich sehr häufig auch Rassismus und Sexismus finden. Einstellungen, mit denen die eigene Person aufgewertet werden soll, indem man andere Menschen abwertet.
Solange es uns nicht gelingt, diese Einstellungsmuster Stück für Stück aufzubrechen, werden wir einer diskriminierungsfreien Gesellschaft nicht wesentlich näher kommen. Jemand, der dies versucht, ist Marcus Urban. Der Verlag wirbt für sein Buch über das Tabu Homosexualität im Profifußball unter anderem mit den Worten:
Marcus Urban
„Marcus Urban bricht jetzt das Schweigen. Urban galt (damals noch unter dem Namen seines Stiefvaters, Schneider) in den achtziger Jahren als eines der größten Talente des DDR-Fußballs und spielte im Team von Rot-Weiß Erfurt. Seinerzeit besuchte er die Kaderschmiede der DDR-Nachwuchskicker, kam mit späteren Nationalspielern wie Bernd Schneider in Kontakt. Fußball war der Fixpunkt in seinem Leben, zugleich aber auch ein Gefängnis.
Während seiner Karriere verheimlichte er seine Homosexualität, weil er um seine Zukunft als Fußballer fürchtete. In dem bewegenden Buch schildert er diese schwierige Situation und seine seelische Zerrissenheit, aus der er sich erst nach dem Ende seiner Karriere befreite. Marcus Urban will dazu beitragen, dass dieses letzte Tabu im Fußball fällt, weitere Spieler seinem Beispiel folgen und Homosexualität auch in diesem vermeintlich “männlichen” Sport als etwas ganz Normales betrachtet wird.“
Der Begriff Kaderschmiede dürfte heute zwar bei den drei Thüringer Sportgymnasien etwas verpönt sein, aber das Thema Homosexualität im Sport scheint immer noch ein schwieriges zu sein. Jedenfalls war es an keiner der drei Schulen möglich, eine Lesung mit Marcus Urban zu organisieren. Obwohl das ein Staatssekretär des Thüringer Bildungsministerium im Thüringer Landtag schon offiziell verkündet und begrüßt hatte.
Eine Lesung mit Marcus Urban ist etwas Besonderes – in Jena waren viele interessierte Gäste aus der Fanszene dabei. Morgen Abend in Weimar und Donnerstag in Erfurt hoffen wir wieder auf ein interessiertes Publikum.
Bilder der Buchlesung
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