Verantwortungslosigkeit als Politikprinzip

Die Stadtratssitzung begann gestern Abend mit erfreulichen Tagesordnungspunkten. Jörg Neigefindt wurde als neuer Stadtrat verpflichtet und gleich zum stellv. Stadtratsvorsitzenden gewählt. Danach wurden sieben ehemalige Kolleginnen und Kollegen als Ehrenstadträte geehrt. Sie alle waren länger als 20 Jahre im Erfurter Stadtrat aktiv – Urs Warweg sogar 34 Jahre. Um sie nicht nur symbolisch zu ehren, sondern die Wertschätzung für das ehrenamtliche Engagement auch zu untersetzen, beschloss der Stadtrat Änderungen an der Hauptsatzung. Künftig können die Ehrenstadträte auf Lebenszeit eine Jahreskarte aus dem Portfolio der städtischen Gesellschaften wählen.

Das war es dann aber schon mit der großen Einigkeit. Der Rest des Abends war wieder von unterschiedlichen Mehrheiten geprägt. Zwei Aktuelle Stunden zur Personalsituation in der Stadt und zur Gleichstellungsbeauftragten führten zwar zum Diskurs aber nicht zu Entscheidungen. Die Unterstützung des Karnevalsumzugs wurde beschlossen – die AfD war dagegen und den Grünen ging die Förderung zu weit.

Streitbehaftet ging es zur Umsatzsteuerpflicht weiter. Seit einem Jahr bekommen wir in nahezu jeder Finanzausschusssitzung einen umfänglichen Bericht zum Stand der Umsetzung. Die ersten Satzungen der Stadt sind – wie vom Bundesgesetzgeber vorgegeben – bereits beschlossen. Kurz vor der Zielgerade hat der Bundestag jetzt beschlossen, eine mögliche Übergangsfrist um zwei Jahre zu verlängern. Das Jahressteuergesetz, in dem dies enthalten ist, wurde allerdings noch nicht vom Bundesrat beschlossen und steht dort erst am 22. November auf der Tagesordnung. Bis dahin haben wir eigentlich keine Wahl. Dennoch beantragten die Linken die Umsatzsteuerpflicht für alle (auch die beschlossenen Satzung) auszusetzen. Dieses Ansinnen schaffte die notwendige 2/3 Mehrheit zur Aufnahme in die Tagesordnung nicht. Bei der Beratung der Friedhofsgebührensatzung gab es dann aber dennoch die Diskussion zum Thema. Der sozialdemokratische Finanzdezernent Steffen Linnert mahnte seine Fraktion und den Stadtrat, die zeitintensive Vorarbeit zahlreicher kommunaler Mitarbeiter inklusive Schulungen zum Thema nicht zu missachten. Allerdings drang er damit nicht durch. Während es bei der Friedhofsgebührensatzung eine knappe Mehrheit gab stimmten bei der Gebührensatzung Für die Musikschule SPD, Linke und AfD dagegen. Jetzt haben wir die Situation, dass es Satzungen mit der Umsetzung der Umsatzsteuerpflicht und ohne gibt. Dies wird jetzt zur Denksportaufgabe für den Dezernenten und am Ende muss wohl das Landesverwaltungsamt eine Bewertung abgeben.

Mich überrascht nun zum wiederholten Mal die kommunalpolitische Verantwortungslosigkeit der SPD. Auf dem Weg zwischen dem beleidigt sein, nach der verlorenen Kommunal- und Landtagswahlen und dem Anspruch die Stadt mitzugestalten, sind die Genossinnen und Genossen stehen geblieben. Bei zahlreichen Entscheidungen im Stadtrat ist die AfD Zünglein an der Waage. Die AfD hat sich in der gestrigen Sitzung zu keinem Thema inhaltlich gemeldet, weil sie weder ein Konzept haben noch inhaltlich etwas beitragen wollen. Aber sie stimmen grundsätzlich so ab, dass sie den größten kommunalpolitischen Schaden anrichten. Für die anstehende Beratung zum Nachtragshaushalt und den folgenden Dezernentenwahlen lässt sich da nichts Gutes für die Stadt erwarten.

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