100 Prozent Nichtwähler…

Die Walter-Gropius-Berufsschule
Bei meinem heutigen Gesprächstermin mit Schülern der Walter-Gropius-Berufsschule in Erfurt fiel die Bestandsaufnahme zunächst recht ernüchternd aus. Exakt 100 Prozent (also alle der Schüler) outeten sich als Nichtwähler. Zwar hatten sie den Wirbel und die Plakate um die Landtagswahl und auch die sich nun seit Wochen hinziehende Diskussion um die Sondierungsgespräche mitbekommen, waren aber nicht motiviert selbst wählen zu gehen. Im Sozialkundeunterricht gab es allerdings um die Landtagswahlen durchaus Gesprächsbedarf.”Was soll sich ändern? Welche Wünsche gibt es? Wie ist das mit der Entwicklung in Thüringen? Wie ist das mit Ausländern in Erfurt? Was steckt hinter den Wahlparolen?” – diese und andere Fragen hatten die Berufsschüler aufgeworfen und beschlossen sich dazu einen Gesprächspartner aus der Politik einzuladen. Sowohl in meiner Funktion als Generationenbeauftragter, als auch als Ansprechpartner der Landesregierung für Antidiskriminierung habe ich diese Einladung gerne angenommen und heute Vormittag zwei Stunden Sozialkundeunterricht gestalten dürfen. Vor über 32 Jahren war ich selbst regelmäßig an dieser Schule. In der 7. bis 10. Klasse hatten wir dort ESP (Einführung in die Sozialistische Produktion), TZ (Technisches Zeichnen) und PA (Produktive Arbeit) als Unterrichtsfächer. Im Rahmen des Polytechnischen Unterrichts sollte damals den Schülern schon vor der Berufsausbildung beigebracht werden, was sie in der real existierenden DDR-Wirtschaft erwartet. Meine Berufsschulzeit habe ich dann in der Rudolf-Diesel-Berufsschule absolviert – diese ist heute Bestandteil der Walter-Gropius-Schule. Aber dies ist lange her und damals beschäftigten uns als Schüler auch ganz andere Probleme. Zudem war im Rahmen des damaligen Unterrichts weder an eine offene noch an eine kritisch, streitbehaftete Diskussion zu denken und dies ist heute glücklicherweise anders! Bei der Schätzung, wie viele Menschen in Thüringen leben und wie viele davon Ausländer oder Asylbewerber sind, lagen die Schüler mit ihren Prognosen heute weit über den tatsächlichen Zahlen und so haben wir zunächst eine ganze Zeit über die Ursachen für die Bevölkerungsentwicklung nach der Wende und die Fragen von Zuwanderung diskutiert. Durchaus interessiert waren die Schüler an den Lebensumständen von Asylbewerbern, die zu uns nach Thüringen kommen. Im Jahr 2013 waren es in ganz Deutschland 225.000, in Thüringen 4.807 und in Erfurt 606. Im laufenden Jahr sind es alleine in Erfurt 1.700, davon rund 500 Jugendliche. Dumpfe Parolen wie auf den NPD-Wahlplakaten schüren Emotionen und zielen auf Zukunftsängste junger Menschen ab. Dies war auch bei der Argumentation der Schüler zu spüren. Allerdings habe ich positiv überrascht registriert, dass sie für Argumente dagegen sehr offen waren. Was im Rahmen von Wahlen Mitbestimmung bedeutet, welche Ebene der Politik für welche Entscheidung zuständig ist und warum es wichtig ist, sich in seine eigenen Belange aktiv einzumischen haben wir diskutiert. Gefreut habe ich mich über die offene und interessierte Gesprächsbereitschaft. Vor Beginn des Gesprächs hat mir der Lehrer gesagt er würde sich freuen, wenn sich am Ende des Tages ein drittel seiner Schüler als potentielle Wähler einschätzen würden. Ich bin da nach dem Gespräch durchaus optimistisch – allerdings sind die nächsten (regulären) Wahlen erst in drei Jahren und bis dahin muss dann der Spannungsbogen (alos die Beschäftigung mit politischen Themen) bleiben. Wobei, je nach dem, wie heute Abend die Empfehlung der SPD und die danach beginnenden Koalitionsverhandlungen ausgehen und schließlich auch wie stabil eine solche Koalition würde – vielleicht trifft man sich ja dann schon eher wieder an der Wahlurne 🙂

Streetlight – The Musical

Gen Rosso mit der SBBS 7
Zum Abschluß einer Projektwoche von Schülerinnen und Schülern der SBBS Walter-Gropius präsentierten die Berufsschüler gestern Abend und ein zweites Mal heute Vormittag das Ergebnis auf der großen Bühne der Sporthalle der SBBS 7. Die Aufführung des Musicals Streetlight vor hunderten von Zuschauern war ein Wahnsinnserfolg und sorgte für ungeteilte Begeisterung. Zum Vatertag war ich heute sehr gerne mit meinem Sohn Jonas bei der Aufführung zu Gast. Meine Lebensgefährtin hatte in den letzten Tagen mit ihren Kolleginnen Schulsozialarbeiterinnen und den Lehrerinnen und Lehrern das Projekt begleitet. Das Musical-Projekt „Stark ohne Gewalt“ ist in fünf Jahren an über 60 Jahren gelaufen und hat 20.000 Jugendliche und Lehrer einbezogen. Die internationale Band Gen Rosso studiert dabei mit den Jugendlichen an mehreren Tagen das Musical ein und präsentierte es mit ihnen gemeinsam. Dabei spielt es keine Rolle ob die Jugendlichen Bühnen-, Tanz- oder Gesangserfahrungen haben – sie sollen ihre Stärken heraus arbeiten und Selbstbewusstsein gewinnen. Bassierend auf dem Heidelberger Kompetenz Training soll das Projekt StarkmacherSchule Schülerinnen und Schüler am Übergang Schule Beruf besonders fördern. Gefördert und massgeblich finanziert wird das Ganze aus Mitteln des ESF und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Das Musical Streetlight kam mit Gen Rosso 2002 erstmals nach Deutschland und erzählt die Geschichte von Charles Moats, einem Afroamerikaner, der 1969 vor seiner Haustür in Chicago erschossen wurde. Neben den Profis von Gen Rosso wirkten 230 Schülerinnen und Schüler mit, sie tanzten, sangen und organisierten Licht und Technik. Das Ergebnis war ein wunderschöner Vormittag und ganz sicher langfristig ein erheblicher Beitrag, zur Stärkung des Selbstbewusstseins der Jugendlichen. Mit Valerio Gentile, Manager von Gen Rosso, und Mathias Kaps, Vorstand von Starkmacher e.V., konnte ich mich nach der Aufführung über das Projekt unterhalten. Von Brasilien bis China war Gen Rosso damit schon erfolgreich – in China sogar vor 3.000 Zuschauern in einer Fabrik. Ich würde mich freuen wenn ich helfen könnte, eine Wiederholung in Thüringen anzuschieben. Wir haben verabredet, dies bei Gelegenheit in Mannheim, dem Sitz von Starkmacher e.V. weiter zu besprechen. Ein großes Dankeschön an alle Mitwirkenden des heutigen Tages, an Unterstützer und an die Walter-Gropius-Schule. Passend zum heutigen Vatertag waren sowohl Vater, als auch Sohn begeistert. Die ursprünglich geplante Motorradtour die ich am Vatertag traditionel mit meinem ältesten und seit einigen Jahren mit meinem zweitältesten Sohn unternehme fiel heute wegen Regenwetter aus. Aber wir werden sie am Wochenende nachholen, da soll wieder die Sonne scheinen 🙂 Bilder der Aufführung Artikel in der TA Streetlight im MDR