Woche der Wahrheit – Nachtragshaushaltsdiskussion in Erfurt
Im Erfurter Rathaus kommt in dieser Woche noch keine richtige Weihnachtstimmung auf. Auch wenn es derzeit vielerorts um Geschenke geht, gibt es bei der Nachtragshaushaltsdiskussion keine Geschenke zu verteilen. Im Nachtragshaushalt soll es um die Deckung einer (von der Stadt mitverschuldeten) Lücke von rund 20 Millionen Euro gehen.
Mit der Beschlussfassung zum Doppelhaushalt 2011/2012 hatten der Oberbürgermeister und die Rot-Rot-Grüne Stadtratsmehrheit an mehreren Stellen auf das “Prinzip Hoffnung” gesetzt. Höhere Steuereinnahmen wurden nicht nur fest eingeplant, sondern auch schon ausgegeben. Vom Land wurde ohne Rücksicht darauf erwartet, die Schlüsselzuweisungen in gleicher Höhe aufrecht zu erhalten und als Drittes wurde gehofft (und geplant), vom Land perspektivisch einen Landeshauptstadtvertrag und einen höheren Theaterzuschuss zu erhalten.
Vorgelegt wurde der Nachtragshaushalt nun vom OB mit der Begründung, dass nun das Land Zuschüsse kürzt und die Leistungen des Bildungspakets des eingearbeitet werden müssen. Allerdings und dies wird bei der öffentlichen Diskussion oft verschwiegen, die Gesamtausgaben steigen weiter deutlich an, unter anderem weil 69 zusätzliche neue Stellen in der Stadtverwaltung geschaffen werden. Der Haushalt 2012 wird dann im Verwaltungshaushalt 554,75 Millionen Euro und damit durch den Nachtragshaushalt noch einmal 9,3 Millionen Euro mehr umfassen. Den Ausgleich des Nachtragshaushalts will der Oberbürgermeister erreichen, indem er die Hebesätze der Grundsteuer B und die Gewerbesteuer erheblich anhebt, auf 490% bzw. 470%. Für uns ist dies nicht akzeptabel. Der Versuch, Einsparungen lediglich auf dem Rücken der Bürger vorzunehmen, setzt sich fort bei der Streichung des 50 Cent-Zuschusses für alle Eltern zum Mittagessen in Kitas und vielen weiteren kleinen Maßnahmen.
Angekündigt hatte der Oberbürgermeister, wenn er vom Land mehr Geld bekommen würde, die Erhöhung der der Hebesätze zurückdrehen zu wollen. Letzte Woche nun hat der Landtag den Haushalt 2012 beschlossen und damit auch das Finanzausgleichsgesetz (FAG), in dem sich die Schlüsselzuweisungen finden. Für Erfurt gibt es nunmehr rund 4,3 Millionen Euro mehr. Erstaunlicherweise stehen aber nur effektiv 1,8 Millionen Euro noch zur Verfügung – 2,5 Millionen Euro waren im Nachtragshaushalt schon verplant, ohne beschlossen zu sein. Vorgeschlagen haben nun heute der OB und auch die CDU-Fraktion Änderungen an der Erhöhung der Hebesätze. Der Oberbürgermeister will die Erhöhung nunmehr nur noch von 420 auf 450% bzw. von 420 auf 470%, allerdings auch nur für das Jahr 2012, ab 2013 soll die Steigerung doch so kommen, wie ursprünglich geplant.
Wir wollen hingegen die Steuererhöhungen ganz verhindern. Neben den zusätzlichen Landesmitteln werden wir auch deutliche Reduzierungen der Personalkosten der Stadt einfordern. Seit Jahren laufen diese aus dem Ruder. Erfurt hat die höchste Personalquote aller ostdeutschen Landeshauptstädte (16,8 je 1.000 EW) und bis heute kein Konzept davon herunter zu kommen. Den 50 Cent-Zuschuss für die Essensportionen wollen wir erhalten, indem wir die Streichung des Sozialtickets vorschlagen und schließlich wollen wir auch die Mittel für die Ortsteile und für die Investitionen in Schulen im Rahmen der Schulnetzplanung um jeweils 300.000 Euro erhöhen. Dies soll durch eine Anpassung der Kosten für Unterkunft (KDU) auf den tatsächlichen Bedarf erfolgen.
Entgegen der heutigen Ankündigung von Radio Frei sind wir nicht für einen Nachtragshaushalt, weil wir schon die Grundstruktur des Erfurter Doppelhaushalts in Frage gestellt haben. Wenn es aber einen Nachtragshaushalt geben muss, wollen wir unter anderem die vorstehenden Änderungen erreichen. Wie unsere Änderungsvorschläge abgestimmt werden ist noch offen, aber davon wird letztlich abhängen wie wir insgesamt zum Nachtragshaushalt abstimmen.
Von den anderen Fraktionen ist zum Haushalt noch nicht viel zu hören. Bis morgen 10 Uhr sollen die Anträge auf dem Tisch des Rathauses liegen. Gespannt bin ich auf die Vorschläge der Linken. Der linke OB-Kandidat spricht sich lautstark gegen die Erhöhung der Hebesätze aus, weil er sie für falsch und wirtschaftsfeindlich hält (da hat er Recht). Die Linke Stadtratsfraktion hingegen will mit den höheren Landeszuweisungen hingegen vorrangig soziale Kürzungen zurückdrehen. Was am Mittwoch abgestimmt wird und mit wessen Stimmen bleibt noch offen.