100 Jahre Jugendarbeit in Mühlhausen

Christina Rommel
Das Geschwister-Scholl-Heim bzw. das Mehrgenerationenhaus in Mühlhausen gibt es jetzt genau auf den Tag 100 Jahre. Nach einer wecheslhaften Geschichte ist es seit 2008 ein Mehrgenerationenhaus und als Generationenbeauftragter bin ich seitdem ich dieses Amt übernommen habe für die MGHs zuständig. In Mühlhausen war ich häufig bei Veranstaltungen zu Gast und habe mich daher sehr über die Einladung zur gestrigen Geburtstagsfeier gefreut. Ich war gebeten in einer Rede einige Gedanken zur Jugendarbeit beizutragen. Nicht nur die Stadt Mühlhausen, sondern auch dieses Haus hat eine reiche Geschichte, wie beim Festprogramm der Kinder und Jugendlichen eindrucksvoll gezeigt wurde. Durch die Jugendlichen selbst und die Moderatoren wurden auf der Zeitreise durch 100 Jahre Jugendarbeit in Mühlhausen viele Wortkombinationen mit dem Wort Jugend genannt: Jugendheim, Haus der Jugend, Stadtjugendhaus. Eine Kombination wurde bisher allerdings noch nicht genannt, und diese lautet Jugendquotient. Es ist ein Begriff aus der Bevölkerungsstatistik. Mit dem Jugendquotienten kann man angegeben, wie viele Personen unter 15 Jahren auf die Personen im Alter von 15 bis 65 Jahre kommen. Wären alle 15 ersten Jahrgänge und die folgenden 50 Jahrgänge gleich stark, läge der Jugendquotient bei 30 Prozent. Damit eine Bevölkerung wachsen und sich verjüngen kann, oder um ohne Zuwanderung wenigstens die Gesamtzahl zu halten und die Verstorbenen zu ersetzen, müsste der Jugendquotient über 30 Prozent liegen. Ist dies nicht der Fall, unterjüngt die Gesellschaft. Ich sage bewusst unterjüngt und nicht überaltert, denn das eigentliche Problem ist nicht der Alterszuwachs, über den wir uns freuen können, sondern die fehlenden Kinder und Jugendlichen. Aus dem Jahr 1914 habe ich für die Stadt Mühlhausen keine Zahl parat, aber sie dürfte kaum anders lauten, als für das gesamte Deutsche Reich. 1914 lag der Jugendquotient über 80 Prozent. Also auf 100 Personen der 50 damaligen Jahrgänge im Alter von 15 bis 65, kamen über 80 Kinder und Jugendliche der gerademal 15 jüngsten Jahrgänge. 70 Jahre später, in den 80-er Jahren, lag für die Stadt Mühlhausen der Jugendquotient zwischen 27 und 30 Prozent. (Übrigens eine Zeit in der ich Mühlhausen als junger Soldat in der Görmar-Kaserne und im B-Lager erlebte.) Ab 1990 ging der Jugendquotient erneut stark zurück. In den 15 Jahren von 1990 bis zum Jahr 2005 hat er sich in Mühlhausen von 28,3 % auf 16,1 % knapp halbiert. Neben dem Jugendquotienten gibt es auch den Altenquotienten. Hier werden die über 65-jährigen in Beziehung zu den potentiell Erwerbsfähigen gesetzt. Bis zum Jahr 1995 lag der Altenquotient in Mühlhausen immer unter dem Jugendquotienten. 1996 lag er erstmals darüber und seitdem ist der Abstand stark angewachsen, hat sich auf knapp 20 Prozent vergrößert und wird sich die nächsten 15 Jahre noch weiter auf spreizen. Im Grunde ja eine erfreuliche Entwicklung, denn wer will nicht länger leben? Jünger als Null kann man nicht werden, aber älter als 80 sehr wohl. Aber was bedeutet dieser demographische Wandel, diese Verschiebung der Generationengrößen nun für die Jugendarbeit? Sollen wir sie einstellen, weil der Anteil der Jugendlichen an der Bevölkerung heute so viel geringer ist als 1914? Sicher nicht. Jugendarbeit soll sich an den Bedürfnissen der Jugendlichen orientieren, und nicht an deren Anzahl. Aber der demografische Wandel bringt die Gefahr mit sich, dass manche nicht zuerst nach den Interessen der Jugendlichen selbst, nach ihren Wünschen für ihr eigenes Leben fragen, sondern sie vor allem als Wirtschaftsfaktor sehen. Denn schließlich sind die heutigen Jugendlichen ja diejenigen, die künftig mit ihrer wirtschaftlichen Leistung unser Sozialsystem finanzieren und die Nachwuchslücken in den Unternehmen schließen sollen. Eine solche Sichtweise greift aber zu kurz. Sicher ist es richtig, dass eine Gesellschaft nur dauerhaft existieren kann, wenn sie nicht mehr ausgibt, als sie vorher erwirtschaftet hat. Aber das darf nicht heißen, dass man Menschen oder Gruppen von Menschen nur noch allein unter wirtschaftlichen Aspekten sieht. Denn ebenso richtig ist es, dass die Wirtschaft den Interessen der Menschen dienen sollte und nicht umgekehrt. Darum kann die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nicht allein heißen, sie dafür fit zu machen, optimal ausgebildet, flexibel und mobil allen zukünftigen Jobanforderungen gerecht zu werden. Sondern sie werden ein vollwertiges und erfülltes Leben nur führen können, wenn sie genügend Freiräume hatten, in denen sie alle Aspekte ihrer Persönlichkeit entwickeln konnten. Und eine Gesellschaft wird dauerhaft nur ihren inneren Zusammenhalt wahren können, wenn ihre Mitglieder ihre Beziehungen nicht nur allein auf Nutzenüberlegungen reduzieren. Eine der Überlegungen, wie man angesichts des demografischen Wandels den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft stärken könnte, ist die Idee der Mehrgenerationenhäuser. Mehrgenerationenhäuser sollen sich nicht nur auf eine einzige Zielgruppe und die damit verbundenen Angebotsschwerpunkte konzentrieren, sondern generationenübergreifende Angebote schaffen, um einer Trennung der Altersgruppen in der Gesellschaft entgegenzuwirken. Sie verfolgen die Wiederbelebung des Prinzips der traditionellen Großfamilie sowie einer traditionellen bürgerschaftlichen, generationenübergreifenden Struktur des Zusammenlebens in der Nachbarschaft, im sozialen Nahraum, die heutzutage immer seltener auftritt. Diese Strukturen bieten die Möglichkeit, Drehscheiben für Angebote zu installieren, die einen ausgesprochen generationenübergreifenden Charakter aufweisen. Mehrgenerationenhäuser sollen auf einer niedrigschwelligen Ebene für jedermann attraktiv und zugänglich wirken. Mit den Schwerpunkten der zweiten Programmphase des Bundesaktionsprogramms „Mehrgenerationenhäuser“: Integration und Bildung, Alter und Pflege, haushaltsnahe Dienstleistungen sowie freiwilliges Engagement zeigt sich die ganze Breite der Angebotsstruktur der Mehrgenerationenhäuser: von frühkindlicher Betreuung und Bildung, über die Kompetenzförderung von freiwillig Engagierten, vielfältige weitere Unterstützungsangebote bis hin zur Integration des Erfahrungswissens älterer Menschen bei zu bewältigenden Aufgaben. Wenn dieses Haus seit dem Jahr 2008 auch als Mehrgenerationenhaus bezeichnet wird, dann ist das mehr als ein Namenschild, das man neu angeschraubt hat, wie man dies zu Ehren der Geschwister Scholl oder des Kosmonauten Wladimir Komarow getan hat, sondern dann steht hinter diesem Namen ein ganzes Konzept sozialer Arbeit im lokalen Nahraum. So etwas zu fördern ist in unserem föderalen System aber keine dauerhafte Aufgabe des Bundes. Ein Mehrgenerationenhaus hat daher nur eine Zukunft, wenn es fest in der sozialen Infrastruktur der jeweiligen Kommune verankert ist. In Mühlhausen ist dies in vorbildlicher Weise der Fall, denn hier ist die Kommune selbst Träger des Mehrgenerationenhauses. Von den 25 derzeit existierenden Mehrgenerationenhäusern in Thüringen ist das nur für ein weiteres Haus der Fall. Für dieses kommunale Engagement gebührt den kommunalen Verantwortlichen besonderer Dank und Anerkennung. Wir haben in der Geschichtsdarstellung gesehen, dass an der Gründung dieses Hauses nicht nur der damalige Bürgermeister Trenkmann und der Stadtrat Klatt beteiligt waren, sondern auch wirtschaftlich erfolgreiche Söhne und Töchter der Stadt, ob nun in Mühlhausen selbst, oder in Übersee, wie die Familie des Brückenbauers Röbling. Ich würde mir für Mühlhausen und dieses Haus wünschen, dass auch an diese Tradition wieder angeknüpft werden könnte und sich erfolgreiche Wirtschaftsvertreter finden, denen es Herzensangelegenheit ist, die Arbeit dieses Hauses zu unterstützen. Dann könnten in 100 Jahren, beim 200. Geburtstag dieses Hauses, die Veranstaltungsteilnehmer genauso dankbar 100 Jahre zurückblicken, wie wir es heute tun können. Über Herzensangelegenheiten und anderes konnten wir im Anschluss von der Erfurter Sängerin und Patin dieses Hauses, Christina Rommel, hören, der ich schon oft zuhören durfte. Christina ist seit vielen Jahren Hauspatin des MGH und nimmt sich immer wieder Zeit zu Konzerten nach Mühlhausen zu kommen. Derzeit bereitet sie ihr neues Album vor, welches im Sommer in New York eingespielt werden soll.

Fünf Jahre Erfolgsgeschichte

Wiedersehen mit Christina Rommel im Mehrgenerationenhaus in Mühlhausen
Derzeit feiern viele der Thüringer Mehrgenerationenhäuser ihren fünften Geburtstag. Zwar gibt es das Programm der Mehrgenerationenhäuser schon seit 2006, aber damals entstanden nur die ersten 9 MGHs in Thüringen. Erst im Jahr 2008 sind in einer zweiten Welle noch einmal 21 weitere hinzugekommen. Vor einigen Tagen war ich im MGH in Apolda zu fünften Geburtstag und heute im MGH in Mühlhausen. Beide Häuser verbindet, dass sie in Trägerschaft der Stadt sind und in großen Häusern viel Raum für Angebote haben. Das Mehrgenerationenhaus Mühlhausen wurde am 17. September 2008 gegründet. Das Gebäude, vielen Mühlhäusern als Geschwister-Scholl-Heim bekannt, gibt es bereits seit 99 Jahren. Verschiedene Nutzungen, u.a. bis zur Wende als Pionierhaus, sind die Ursache, dass nahezu jeder Mühlhäuser schon einmal dort war. Bei meinem Grußwort habe ich sowohl die Geschichte des Hauses, als auch die Aufgabe der MGHs dargestellt. Als ich vor vier Jahren meine Tätigkeit als Generationenbeauftragter begonnen habe, waren die MGHs mein erstes wichtiges Themenfeld und ich bin froh darüber, dass es auch heute noch 25 MGHs in Thüringen gibt und es für diese auch nach Auslaufen des MGH II Programms gut weitergehen wird. Das MGH in Mühlhausen hatte neben der kommunalen Trägerschaft immer starke Partner. Sowohl das benachbarte MGH in Körner war von Anbeginn Partnerschaftshaus, als auch die Verantwortlichen der Stadt, u.a. der heutige Oberbürgermeister Dr. Johannes Bruns, haben sehr geholfen.
MGH Moderationskreistreffen am Vortag in Pößneck
Eine engagierte Unterstützerin war zum fünften Geburtstag auch zu Gast. Die Erfurter Sängerin Christina Rommel ist Patin des Hauses und hat dort schon Muiskworkshops veranstaltet und Konzerte gegeben. Heute hat sie ihr neues Musikvideo “Hauch von Schokolade” vorgestellt und ein Konzert gegeben. Ich finde es toll, wie sich Christina für dieses Projekt engagiert und ihre Musik mag ich sowieso. Insofern war es schön, dass bei der Geburtstagsfeier auch Zeit für gute Gespräche war. Dazu zählt auch ein umfängliches Gespräch mit den Landeselternsprechern des TLEVK über die Kita-Situation in Thüringen. Vielen Dank für die Einladung zur Geburtstagsfeier und viel Erfolg dem MGH Mühlhausen für die nächsten Jahre. Ich helfe gerne weiter mit.

Weihnachtsvorfeude in Mühlhausen

Heute fand das erste große Schmücken von Weihnachtsbäumen in Mühlhausen an der Marienkirche statt. Gemeinsam mit den Kindern der Kita „Unstrutwichtel“, der Seniorenvertretung und dem Oberbürgermeister Dr. Johannes Bruns habe ich dabei helfen können. Mit Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr Mühlhausen wurde der erste Weihnachtsbaum mit dem selbstgebastelten Weihnachtsschmuck geschmückt. Sechs Bäume werden insgesamt heute und morgen im ganzen Stadtgebiet geschmückt. Als Thüringer Generationenbeauftragter habe ich das Projekt sehr gerne unterstützt, denn der Weihnachtsschmuck wurde gemeinsam mit Kindern mehrerer Kitas aus Mühlhausen und der Seniorenvertretung im Mehrgenerationenhaus Mühlhausen hergestellt. Miteinander haben so verschiedene Generationen einige schöne Stunden verbracht, gemeinsam gesungen, gelacht und kreativen Baumschmuck hergestellt und sorgen somit für ein festliches Ambiente in der Adventszeit auf öffentlichen Plätzen und Straßen in der Stadt Mühlhausen. Die Kleinen waren heute schon voll adventlicher Vorfreude und erklärten mir, dass sie schon am Wochenende ihren Eltern stolz die geschmückten Bäume zeigen werden. Der Oberbürgermeister sagte mir, dass im Ergebnis dieser Aktion (die es schon in den vergangenen Jahren gab) nur wenige Sachbeschädigungen oder gar verschwundenen Kugeln an den Weihnachtsbäumen zu verzeichen sind. Offensichtlich erfreuen sich alle Mühlhäuser an der aktiven Weihnachtsfreude der Kinder. Und der Weihnachtsmann wird es sicher auch erfreut registrieren 🙂 Bilder aus Mühlhausen

1.500 qm MGH und eine lange Tradition

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Im Jugendtechnikzentrum des MGH Mühlhausen
Anknüpfend an meinen Besuch im Mehrgenerationenhaus in Pößneck in der vergangenen Woche muss ich heute meinen Blogeintrag nach diesem Besuch korrigieren. Glaubte ich letzte Woche noch in Pößneck gäbe es das größte MGH mit 900 qm Nutzfläche, konnte ich heute in Mühlhausen feststellen, es gibt ein noch größeres Haus. Im dortigen Kinder- und Jugendheim (bereits 1914 gegründet) nachfolgend als Pionierhaus und späterem Jugendzentrum “Geschwister Scholl” der Stadt gibt es ein Mehrgenerationenhaus mit 1.500 qm Nutzfläche. Auf dieser großen Fläche ist in Trägerschaft der Stadt Mühlhausen eine beachtliche Angebotsvielfalt entstanden. Der Sozialbeigeordnete der Stadt Mühlhausen Dr. Johannes Bruns und der Leiter des Hauses Markus Edom erläuterten die Vielfalt der Angebote.
MGH Mühlhausen (1)
Das Mehrgenerationenhaus Mühlhausen
Möglich ist diese Vielfalt auch durch durch den Freiwilligendienst aller Generationen “Brückenbauer”. Allein rund 70 Freiwillige im Alter von 30 bis 70 Jahren helfen und organisieren Angebote für alle Altersgruppen. Sieben Themenschwerpunkte bearbeitet das Mehrgenerationenhaus. Das Jugendtechnikzentrum wird intensiv von Kita- und Schulklassen genutzt. Die Patenschaften für Jung und Alt führen Generationen in gemeinsamen Projekten zusammen. Unternehmenspatenschaften vermitteln Jugendlichen berufliche Orientierung. Kinderbetreuung wird insbesondere in den Differenzzeiten angeboten. Die Projekte zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf geben Familien Halt und Orientierung. Eine Dienstleistungsbörse vermittelt Hilfeangebote und der offene Treffpunkt der Generationen wird von allen Besuchern des Hauses genutzt.  Für das Folgeprogramm des Bundes zur Förderung der Mehrgenerationenhäuser hat das MGH in Mühlhausen gute Chancen, weil auch die Vernetzung in die Kommune, naturgemäß allein durch die Trägerschaft der Stadt, bestens funktioniert. 2006 übernahm die Stadt die Trägerschaft des damaligen Jugendhauses von einer GmbH und hat dort ab 2008 das Konzept des Mehrgenerationenhauses entwickelt und umgesetzt.
MGH Körner
Gespräch im MGH Körner
Im Mehrgenerationenhaus in Körner, welches anschließend auf dem Besuchsprogramm stand, verlief die Gründung des MGH anders und auch deutlich früher. In einem leerstehenden ehemaligen Gasthof mitten im Ort waren zunächst umfängliche Sanierungsmaßnahmen notwendig, bevor das MGH als eines der ersten Thüringer Häuser “ans Netz ging”. Die Vorstandsvorsitzende des Vereins “Senioren- und Familienzentrum Deutsches Haus Körner” Carmen Listemann (u.a. vor einem Jahr mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bunderepublik Deutschlands geehrt) hat mit ihren vier Vorstandkolleginnen beispielhafte Aufbauarbeit in Körner geleistet. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt bei Aktivitäten mit den rüstigen Seniorinnen und Senioren aus Körner. MGH Körner (4)Hinzu kommen die Betreuung der Bibliothek von Körner und Projekte mit den Kita-Kindern sowie Ferienprojekte und Tanzaktivitäten quer durch alle Altersgruppen. Auch das MGH in Körner wird sich für das Folgeprojekt bewerben und auch in Körner ist das kommunale Bekenntnis und die finanzielle Unterstützung der Gemeide sicher. Der stellvertretende Bürgermeister von Körner erklärte, dies sei im Gemeinderat unstrittig. Der Besuch in beiden MGHs hat mich heute darin bestätigt, wie erfolgreich kommunale Vernetzung funktionieren kann und wie notwendig sie ist. Bilder der beiden MGHs