Arbeitstag in Berlin bei der Caritas-Tarifkommission
Während sich in den letzten Monaten die Diskussion bei der Betreuungssituation in den Kitas meist um Personalbemessungen, Bedarfspläne und Elterngebühren drehte, ist ein Thema gar nicht erst ins Problembewußtsein der Öffentlichkeit gerückt. Viele Erzieherinnen bei einigen freien Trägern werden deutlich schlechter bezahlt, als ihre Berufskolleginnen in den kommunalen Einrichtungen.
Im Frühsommer habe ich mit einer Stadtratsanfrage in Erfurt versucht etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Dies gelang in Erfurt nur zum Teil, da das Jugendamt nicht bereit war “die Vergütungen unter Berücksichtigung der Wochenstundenzahl, einer Vergleichberechung mit allen tarif- und haustariflichen sowie Festbetragsvergütungen der freien Träger vorzunehmen”. Oder anders gesagt, unser Jugendamtsleiter ahnte welche Lawine man damit lostreten kann.
Mein heutiger Vortrag bei den Arbeitnehmervertretern der Regionalkommission Ost der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas in Berlin bestätigte, dass hier Vieles im Argen liegt. Die Caritas-Vertreter bestätigten, dass die Caritas ihre Erzieherinnen unterhalb des Tarifvertrages öffentlicher Dienst (TVöD) bezahlt. Zwar nicht so deutlich, wie andere große Kita-Träger (bei einem der Träger, der auch in Erfurt viele Einrichtungen betreibt wird der TVöD um 27 Prozent unterschritten, da ist die Caritas mit minus 7 Prozent ja fast noch vorbildlich) aber dennoch zum Nachteil der Erzieherinnen.
Sparen tut dabei letztlich die Stadt, den die muss die ungedeckten Kita-Kosten gemäß SGB VIII ausgleichen. Zwar ist die Kita-Finanzierung gemäß §74a SGB VIII Aufgabe der Länder, allerdings geben diese in aller Regel Pauschalbeträge an die Kommunen und diese handeln gemäß §§ 78b – 78e SGB VIII Vereinbarungen über den Betrieb und die Finanzierung mit den Trägern aus. Die Geldleistung, die letztlich den Betrieb einer Kita ermöglicht, setzt sich aus mehreren Säulen zusammen: Landeszuschüsse, Elternbeiträge, Trägeranteil, Erstattungen des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe und letztlich als Rest-/Fehlbedarfsfinanzierung der Gemeindeanteil.
Angerechnet werden dabei die Betriebskosten der Einrichtung, also Personal- und Sachkosten. Zu den Personalkosten gehören die Vergütung der Erzieherinnen, SV-Beiträge, tariflich vereinbarte Beiträge zur Atersvorsorge und Beiträge zur Unfallkasse. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das Problem der Caritas und vieler anderer Kitaerzieherinnen ist nur, dass ihr Tarifvertrag unter dem TVöD liegt und damit die Kommune auch nur bezahlt, was sie muss. Unser Erfurter Jugendamtsleiter schreibt dazu: “Erstatungsfähig sind die Personalkosten, zu deren Bezahlung der Freie Träger aus tariflicher und/oder arbeitsrechtlicher Sicht verpflichtet ist. Die Obergrenze ist durch die Regelungen des TVöD und seiner Ergänzungsverträge definiert.”. Er würde ja gerne mehr bezahlen – aber die Arbeitsverträge der freien Träger geben nicht mehr her. Wirklich böse ist er darüber aber auch nicht – Geld gespart!
Bei einer Vollzeitbeschäftigten Erzieherinnen reden wir über Differenzen von 2.900 Euro Peronalkosten (ohne AG-Anteil bei der Kommune) bis zu 700 Euro weniger im Monat bei einzelnen Trägern. Das ist beträchtlich und führt spätestens bei Neueinstellungen von gut ausgebildeten Erzieherinnen zu einer Wettbewerbsverzerrung.
Ich habe heute in Berlin die Caritas-Vertreter anhand von den unterschiedlichen Gesetzen und Verordnungen in den neuen Bundesländern argumentativ “aufgerüstet” für die Tarifgespräche mit der Arbeitgeberseite. Die fast vierstündige Diskussion war intensiv, ich hoffe sehr sie war auch hilfreich im Interesse der Erzieherinnen!
Verbesserungen in den Kitas sollen schnell wirken
In der gestrigen Sitzung des Jugendhilfeausschusses wurde der Dringlichkeitsantrag der CDU zum neuen Kita-Gesetz und zur Vergütung der Tagespflegemütter umfänglich beraten. Bereits mit der Stellungnahme der Jugendamtsverwaltung wurde deutlich, dass ein Kompromiss im Interesse beider Seiten, der Tagespflegemütter und der Eltern gefunden werden muss.
Der drohenden Rechtsunsicherheit will das Jugendamt mit einer Erhöhung der Vergütung für die Tagespflegemütter auf 470 Euro pro Kind/Monat und einer Absenkung der Höchstgebühren für Eltern bei der Tagespflege von 340 auf 200 Euro begegnen. Die dazu notwendigen Stadtratsvorlagen befinden sich noch in der Ämterabstimmung, so dass sie voraussichtlich erst im August oder September (Vergütung der Tagespflegemütter) im Stadtrat beraten und rückwirkend ab 1. August in Kraft gesetzt würden.
Die neue Gebührenordnung wird sich hingegen wohl noch bis Ende des Jahres hinziehen. Aber auch da erklärte der Jugendamtsleiter Winklmann gestern Abend würden die unangemessenen Höchstbeträge bereits ab August “gekappt”, das heißt auf deutlich niedrigere Höchstbeträge begrenzt um Rechtssicherheit herzustellen. Derzeit müssen Eltern für einen Ganztagspflegeplatz bis zu 340 Euro, Ganztagskitaplatz bis zu 280 Euro und einen Krippenplatz bis zu 560 Euro bezahlen. Zusammen mit den ab August erhöhten Landeszuschüssen sind dabei etliche Plätze, insbesondere bei freien Trägern “überbezahlt”. Diese rechtswidrige Situation muss korrigiert werden.
Eine lebhafte Diskussion gab es ausgelöst durch unseren Antrag gestern auch zur Personalsituation in den Kitas ab 1.8.2010. Dazu erläuterte der Amtsleiter, dass die Träger nicht ausreichend Personal zum 1.8. hätten und deshalb die Erhöhung des Personalschlüssels erst zum 1.9. in Kraft treten sollen. Die von ihm behauptete “Freiwilligkeit für die Umsetzung” bzw. Übergangsfristen gibt es aber gar nicht. Wenn freie Träger das Personal haben (viele haben es glücklicherweise) sollen und müssen sie das Gesetz bereits ab 1.8. umsetzen. Träger die mit der “Zuteilung” des erhöhten Personalschlüssels durch das Jugendamt nicht einverstanden sind sollten sich an unsere Fraktionsgeschäftsstelle wenden, wir werden auf die Umsetzung der gestrigen Zusage bestehen!
In der August-Sitzung des Jugendhilfeausschusses soll es anknüpfend an unseren Antrag einen umfänglichen Bericht zur Umsetzung des neuen Kita-Gesetzes geben. Wir haben also mit unserem Antrag erreicht, dass sowohl Eltern, als auch Tagespflegemütter und Kita-Träger etwas klarer in die Zukunft blicken können und die Verbesserungen durch das Kita-Gesetz des Landes auch in den Einrichtungen zeitnah ankommen. Schade finde ich es nur, dass man mit solchen Anträgen die Vewaltung immer erst zu “jagen tragen muss”. Aber das ist ja auch eine unserer Aufgaben als Stadträte. 😉 In seiner Stellungnahme zum CDU-Antrag erklärte der Erfurter Jugendamtsleiter gestern Abend:
Vergütung der Tagesmütter
Stellungnahme zur Drucksache 1113/10
1. Eine Erhöhung der Pauschalen für Tagespflegepersonen ist bereits zum 01.08.2010 vorgesehen. Ein entsprechender Entwurf liegt im Jugendamt vor. Der erhöhte Pauschbetrag sieht eine Vergütung in der Kindertagespflege von mtl. 470,00 EUR je Kind vor. Dies würde gegenüber der jetzigen Pauschale eine Erhöhung von 36,00 EUR oder 8,3 % betragen. Die vom Land Thüringen empfohlene Pauschale beträgt derzeit 367,00 EUR.
Neben dieser Pauschale werden für die Tagespflegepersonen Bejträge zur -Kranken-und Pflegeversicherung (mtl. ca. 70,00 EUR), -Rentenversicherung (mtl. ca. 40,00 EUR) und -Unfallversicherung Uährl. ca. 72,00 EUR) übernommen. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass Tagespflegepersonen im Einzelfall auch Einkommenssteuer zu entrichten haben. . r
Eine Erhöhung der Pauschale auf mtl. 590,00 EUR halten wir derzeit auch mit Blick auf die Landesempfehlungen für nicht angebracht. Außerdem ist vorgesehen die Elternbeiträge in den Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege ab dem 01.01.2011 auf 200,00 EUR mtl. zu begrenzen. Damit würden keine Mehreinnahmen den Ausgaben gegenüber stehen.
2. Eine Berichterstattung zum Bearbeitungsstand einer neuen Entgeltordnung ist jederzeit möglich.
3. Eine Berichterstattung zum neuen KitaG ist ebenfalls in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses im August 2010 möglich.
Die CDU Fraktion im Erfurter Stadtrat
Es geht doch! Auch wenn am Ende keiner mehr daran schuld sein wollte und keiner seinen Fehler einräumte, stimmte am Mittwoch Abend das Ergebnis. Der Stadtrat stimmte einmütig dafür, dass die Tagespflegemütter weiter den alten, also höheren Vergütungssatz von 434 Euro pro Kind erhalten sollen. Im Dezember hatte die Stadtverwaltung dem Stadtrat eine Kürzung von knapp 70 Euro pro Kind “untergejubelt”.
Dabei ignorierte die Stadtverwaltung, dass dazu eigentlich erst ein Stadtratsbeschluss von 2004 hätte aufgehoben werden müssen. Es spricht für die interne Arbeitsweise, dass die zuständige Beigeordnete Thierbach (Linke) gar nicht wusste, dass es einen solchen Stadtratsbeschluß gab. Auch das Wort des Oberbürgermeisters Andreas Bausewein (SPD) galt da nicht viel. Er hatte im Finanzausschuss zugesagt, dass mit dem Beschluss zur vorläufigen Haushaltsführung keine Stadtratsbeschlüsse “ausgehebelt” würden. Dem Stadtratsbeschluss im Dezember hatten am Ende nur noch die Grünen und die Freien Wähler zugestimmt. Letztere sahen ihren Fehler ein und brachten am Mittwoch einen Antrag auf Änderung zu den Tagespflegemütter ein.
In der Landeshauptstadt Erfurt werden über 200 Kinder in Tagespflege betreut. Damit sind dies ein Viertel der Kinderunter zwei Jahren, die in Ganztagsbetreuung sind (ca. 800). Das dies so viele Kinder sind hat mehrere Gründe. Während in ganz Thüringen nur600 Kinder in Tagespflege sind, sind es in Erfurt und Weimar überdurchschnittlich viele. Zum ersten ist die Tagespflege ein sehr individuelles und flexibles Angebot für Eltern, zweitens kostet sich den Städten weniger als die Hälfte wie ein Krippenplatz (in Erfurt 911 Euro je Platz/Monat) und drittens bezahlen die Städte den Tagespflegemüttern einen erhöhten Monatssatz, um die Tagespflege für sie attraktiv zu machen.
Nach dem Willen der Erfurter Stadtverwaltung sollte diese Summe nun auf 367 Euro abgesenkt werden – eine Zumutung für die Tagespflegemütter, die von dieser Zahlung mehr als zwei Drittel als Betriebsausgaben haben und lediglich rund ein Drittel als Kosten für die Erziehung der Kinder. Diese Entscheidung der Stadtverwaltung wäre sogar rechtswidrig gewesen, was offensichtlich “großzügig übersehen” wurde. Die Stadt Erfurt erhält vom Land 100 Euro als Zuschuss pro Monat und Tagespflegeplatz und die Eltern bezahlen an das Jugendamt bis zu 320 Euro monatlichen Beitrag, wenn sie mehr als 60.000 Euro Jahresbruttoverdienst haben. Für diese Eltern wäre die Gebührensatzung der Stadt Erfurt rechtswidrig, weil die Stadt mehr pro Platz einnehmen würde, als sie mit 367 Euro ausgibt. Bundesverfassungsgericht und Oberlandesgericht haben der Stadt Erfurt schon einmal ins “Buch geschrieben” dass dies rechtswidrig ist!
Fakt ist, in Erfurt fehlen Betreuungsplätze fürKinder unter 2 Jahren. Junge Eltern können ein Lied davon singen, wenn sie versuchen im Jugendamt einen Krippenplatz oder einen Tagespflegeplatz zu bekommen. Keiner frei, erst in drei Monaten, nur für vier Stunden – sind die gängigen Antworten. Das Gebot der Stunde müsste also sein neue Plätze zu schaffen und Tagespflegemütter zu stärken und nicht sie zu vergraulen und bestehende Plätze zu zerstören. Ab dem 1. August 2010 soll der Rechtsanspruch auf Betreuung gelten. CDU und SPD haben einenentsprechenden Gesetzentwurf gestern in den Landtag eingebracht. Spätestens dann hat die Stadt Erfurt ein ganz großes Problem! Die Zuschüsse des Landes pro Tagespflegeplatz steigen dann auf 270 Euro im Monat. Die CDU wird im Sommer beantragen, dann auch den Vergütungssatz für Tagespflegemütter weiter zu erhöhen, um neue Plätze zu schaffen.
Am Mittwoch war unser Ziel den unsinnigen Kürzungsbeschluss der Stadt aufzuheben. Er war von der Stadt unverantworlich gegenüber den Tagespflegemüttern, er war kommunalpolitisch grob fahrlässig und wegen der Rechtswidrigkeit verantwortungslos und er war sozialpolitisch ein Skandal, weil damitEltern Betreuungsmöglichkeiten entzogen würden.
Es ist gut, dass der Stadtrat dies einstimmig korrigierte und es zeigt, dass wir der Stadtverwaltung aufmerksam auf die Finger schauen müssen!
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