Die Sommerausschüsse des Erfurter Stadtrats tagen, um dringende nicht zu verschiebende Entscheidungen auch im Juli und August treffen zu können, wenn der Stadtrat nicht tagt. Ich bin stimmberechtigtes Mitglied in allen drei Sommerausschüssen, dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau, Umwelt, Klimaschutz und Verkehr (SBUKV), dem Ausschuss für Finanzen, Liegenschaften, Rechnungsprüfung und Vergaben (FLRV) und dem Hauptausschuss (HA). Insofern bleibe ich auch im Sommer kommunalpolitisch in „Bewegung“.
Gestern Abend tagte der SPUKV und wir hatten im öffentlichen Teil zwei dringliche zusätzliche Tagesordnungspunkte. Das eine war ein Planfeststellungsverfahren zum Ausbau eines Gewässers. Ohne größere Diskussion wurde der TOP beschlossen.
Beim zweiten zusätzlichen Tagesordnungspunkt, erschloss sich für die CDU Stadtratsfraktion weder die Eilbedürftigkeit noch der Sinn, da es sich lediglich um eine Informationsdrucksache aus der Verwaltung handelte. Der Titel „Alternative Vergabeverfahren für Planung/Neubau/Sanierung im Rahmen der Umsetzung von Schulbaumaßnahmen – Sachstand“ klang zwar vielversprechend, die Drucksache enthielt aber wenig Substanz und schon gar nicht etwas, was zur Entscheidung ansteht.
Im Vorfeld des Ausschusses habe ich deshalb recherchiert, was den Beigeordneten Matthias Bärwolff zu dieser dringlichen Vorlage getrieben haben könnte und was er damit bezweckt. Grundsätzlich finde ich es immer richtig, wenn Stadträte informiert werden – möglichst aber natürlich vor Entscheidungen oder bevor es in der Presse steht.
Vor zehn Tagen hat der Beigeordnete dem MDR ein Interview gegeben, in dem er sich zum Schulsanierungsprogramm äußerte. Darin war zu lesen, dass der Dezernent eine Möglichkeit gefunden habe „wie es schneller vorangehen kann: durch Ausschreibungen an Generalunternehmen“. Diverse dafür ins Auge gefasste Projekte (vier Schulsporthallen und vier Schulprojekte) würden bei einer Ausschreibung an Generalunternehmen rund 150 Millionen Euro kosten. „Das Geld dafür sei im Haushalt vorgesehen, so Bärwolff.“ „Nun muss Ende Juli noch der zuständige Ausschuss dem Vergabeverfahren zustimmen. Das erste Projekt, der Bau des Ausweichobjekts in der Vilniuser Straße, könne dann 2024 starten.“ Und als Abschlusszitat: „Ich bin sehr optimistisch, dass der Ausschuss zustimmt und wir in der zweiten Jahreshälfte ausschreiben können“, sagt Bärwolff.
Das klang gut, hielt der „Belastungsprobe“ einer Prüfung allerdings nicht stand. Zu den Fakten:
Beim Nachtragshaushalt 2023 wurde ein Begleitantrag der Fraktionen Linke und Grüne mit den Stimmen aller Fraktionen beschlossen. „Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, bis zum 31. Mai 2023 dem Stadtrat die erforderlichen Entwürfe für Beschlüsse zur Umsetzung von Investitionsvorhaben im Bereich Schulen und Sporthallen im Rahmen des Vergabeverfahrens „Generalauftragnehmer“ vorzulegen.“ In der Begründung behaupteten die Antragsteller, damit könnten Investitionsmaßnahmen für die Stadt „kostengünstiger realisiert werden“. Dieser Begründung widersprach die Verwaltung und erklärte, dass es ein Trugschluss wäre, dass die GU-Vergabe kostengünstiger wäre. Zudem verwies die Verwaltung darauf, dass zuvor in dem zuständigen Entscheidungsgremium gem. ThürGemHV ein Beschluss eingeholt werden müsse.
Möglicherweise hatte der Dezernent dies im Hinterkopf, als er dem MDR ankündigte, den Ausschuss im Juli um Zustimmung zu bitten. Rein fachlich gesehen ist es aber noch lange nicht so weit, dass diesbezüglich Beschlüsse gefasst werden könnten. Im SBUKV habe ich gestern darauf hingewiesen, dass die Hauptvoraussetzung dafür nicht erfüllt ist. Die Verwaltung schreibt in ihrer Informationsdrucksache „Erst mit dem Vorliegen der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen sind entsprechende Ausschreibungen bzw. Vergaben möglich.“.
Auf meine Nachfrage wo denn die benötigten 134 Millionen Euro (davon allein 40 Millionen für die Vilniuser Straße) im Haushalt stehen, räumte der Beigeordnete ein, dass über die Einstellungen der notwendigen Gelder gerade für die Haushaltsaufstellung 2024 verhandelt werde. Der Haushalt 2024 wird allerdings erst frühestens im ersten Quartal 2024 im Stadtrat diskutiert und eventuell beschlossen und kann erst danach vom Landesverwaltungsamt geprüft und ggf. genehmigt werden. Vor dem Sommer 2024 passiert da also gar nicht, selbst wenn der Beigeordnete das Geld in den Haushalt verhandelt bekommt. Bis jetzt gibt es auch keine exakten Zahlen, mit denen die acht beschriebenen Projekte geplant werden. Der Beigeordnete sprach von der Basis einer Kostenschätzung vor zwei Jahren. Es blieb zudem offen, ob dabei schon die 10 – 20 Prozent GU-Zuschlag einkalkuliert sind.
Auch auf weitere Probleme habe ich gestern hingewiesen. Für die Vergabe an einen GU muss jeder Einzelfall geprüft werden. Die bloße Behauptung einer höheren Wirtschaftlichkeit reicht dazu, ebenso wenig wie der Verweis auf Personalmangel in der Verwaltung für Planungsleistungen, nicht aus. Es müssen wirtschaftliche oder technische Gründe angeführt werden. Auswirkungen auf mittelständische und regionale Unternehmen müssen geprüft werden, um am Ende nicht vor der Vergabekammer zu landen und es muss geklärt werden, wie sich dies auf mögliche Fördermittel auswirkt. Die Ausschreibung muss zudem detailliert sein, um uns eine Drama analog der Multifunktionsarena, bei der die Fertigstellung verspätet war, die Kostennachforderungen explodierten und schließlich erst ein Gerichtsvergleich vor wenigen Wochen die Stadt zusätzliche Millionen kostete, zu ersparen.
Die CDU Stadtratsfraktion hält die GU-Vergabe oder auch die Totalübernehmer-Vergabe für eine Möglichkeit, Bauprojekte zu realisieren. Wir werden solche Projekte nach Einzelfallprüfung auch unterstützen.
Was ich aber ausgesprochen unredlich finde ist, dass der Beigeordnete auf der Basis von „gefährlichem Halbwissen“ Hoffnungen weckt, dies alles könne zeitnah losgehen. Dies führt nur zu neuen Enttäuschungen. Die Schulsporthallen Stotternheim, Vieselbach, Hochheim und in der Grubenstraße, der Ersatzbau der Gemeinschaftsschule 9, der Grundschule 25, der Schulcampus Greifswalder Straße und das Ausweichobjekt Vilniuser Straße sind die 8 benannten Projekte. Ich bin sehr gespannt, wann der Beigeordnete dazu Beschlussvorschläge und nicht nur halbseidene Sachstandsinformationen vorlegt.