Die nicht gehaltene Rede

Am Sonntag fand in Buchenwald die offizielle Gedenkveranstaltung Thüringens anlässlich der 80jährigen Befreiung des KZ Buchenwalds statt. Das wichtige Gedenken wurde im Vorfeld und leider nun auch in der Diskussion danach überschattet von einem Streit, wer die Gedenkrede halten sollte. Ich finde dies ausgesprochen bedauerlich, weil damit der Fokus auf das Gedenken verstellt wird und es überwiegend um einen Streit zwischen Personen und die Interpretation der Reden eines Dritten geht. Eigentlich wollte ich dazu nichts schreiben, aber da die Diskussion nicht aufhört – heute in einem stern-Interview mit dem Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner und mit dem Abdruck der nicht gehaltenen Rede von Omri Boehm in der Süddeutschen Zeitung (hinter der Bezahlschranke) – tue ich es doch.

Am Wochenende habe ich mir drei größere Reden vom ursprünglich geplanten Festredner Omri Boehm durchgelesen. Ich weiß nicht wie viele, die sich jetzt öffentlich zu Wort melden dies getan haben – ich weiß aber, sie sollten es tun. Ich persönlich teile die Kritik des israelischen Botschafters Ron Prosor und des Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen Reinhard Schramm daran, was Omri Boehm in der Vergangenheit gesagt hat. Das oben stehende Bild illustriert für mich recht anschaulich, worauf sich die Kritik von Prosor und Schramm beziehen. Ich werfe Herrn Boehm nicht vor, antisemitische Äußerungen zu tätigen. Aber wer pauschal Israel “unaussprechliche Verbrechen im Gazastreifen und im Westjordanland” vorwirft, redet dem israelbezogenem Antisemitismus das Wort.

Darüber, was er tatsächlich in Buchenwald gesagt hätte, kann hinterher nur spekuliert werden. Auch die Jugendvertreterin aus Spanien hatte zuvor ein Redemanuskript vorgelegt und dies dann noch um den absurden Genozid-Vorwurf und “¡No pasarán” ergänzt. Insofern ist die Forderung schon berechtigt, sensibel und achtsam bei der Auswahl von Festrednern vorzugehen.

Im stern-Interview wird Jens-Christian Wagner gefragt, wie er zu Aussagen Boehms steht, in denen er Jerusalem als “goldenes Kalb” und Yad Vashem als “Waschmaschine” einer rassistischen Politik Israels bezeichnet hat. Wegen diesen Aussagen wirft der israelische Botschafter ihm vor, das Holocaust-Gedenken zu verwässern. Eine wirkliche Antwort auf die Frage, ob Prosor damit nicht Recht habe, gibt Wagner nicht, aber er sagt:

“Omri Boehm ist ein streitbarer, aber immer fundiert argumentierender Wissenschaftler. Dieser Vorwurf ist politisch motiviert. Überhaupt wird die gesamte Debatte um Israel und Palästina von allen Seiten derart erbittert geführt und instrumentalisiert, dass sie inzwischen völlig vergiftet ist. Es lässt sich kaum noch ein Satz dazu sagen, ohne dass man von der einen oder anderen Seite sofort unter Generalverdacht gestellt wird. Entweder gilt man als Unterstützer der Hamas und als Antisemit. Oder man wird als Speichellecker einer rechtsextremen Regierung Israels bezeichnet. Ich bin genauso wie Omri Boehm weder das eine noch das andere.”

Vor diesem Hintergrund wundert mich die nun sehr intensiv geführte Diskussion schon sehr und es wäre an der Zeit, zu mehr Sachlichkeit zurück zu finden – bei allen Beteiligten!

Interview Jens-Christian Wagner mit der Jüdischen Allegemeinen

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