Das Podium im Augustinerkloster
Durchaus mit einer skeptischen Erwartungshaltung bin ich heute Abend einer Einladung des Katholischen und des Evangelischen Büros zu einem der regelmäßig stattfindenden Hintergrundgespräche mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft gefolgt.
Unter dem Thema “Toleranz.Respekt.Pluralität” diskutierten Bundestagspräsident a.D. Dr. Wolfgang Thierse, der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen Prof. Dr. Reinhard Schramm und der Imam der Erfurter Moscheegemeinde Abdullah Dündar über religionspolitische Leitbegriffe.
Skeptisch war ich, weil die Ereignisse der letzten Wochen dem Thema eine erhebliche Brisanz gebracht haben und weil nicht jede der öffentlichen Diskussionen dem gerecht wird. Zu schnell gleiten Diskussionen in Klischees und Schuldzuweisungen ab und oft wird mit gefährlichem Halbwissen Politik gemacht und mit Sorgen und Ängsten gespielt. Bezüglich der öffentlichen Wahrnehmung von Themen die der Bundestagspräsident sonst so aufruft, war ich ebenfalls neugierig wie der Abend läuft. Thierse ist für klare Worte bekannt, allerdings auch dafür manchmal über das Ziel hinaus zu schießen (ein Beispiel ist die “Schwabenkritik” im Sommer letzten Jahres).
Vor diesem Hintergrund war ich genauso wie viele der rund 100 Gäste im Augustinerkloster (darunter drei Minister und vier Staatssekretäre der neuen Landesregierung) angenehm überrascht, wie fundiert und engagiert Thierse sich in seinem Vortrag und der anschließenden Diskussion dem Thema stellte. Am Ende des Abends fasste er zusammen: bei der Wahrnehmung des Islams gibt es eine Fern- und eine Nahwahrnehmung. Erste ist geprägt von den täglichen Nachrichtenmeldungen im Fernsehen über Anschläge und Gewalttaten. Diese Meldungen befördern gefährliches Halbwissen und Vorurteile – aber sie spiegeln ja nur wider, was in der Welt leider auch täglich passiert. Eine Überwindung von Vorurteilen gelingt jedoch weder durch Beschimpfungen noch durch Schulterklopfen sondern nur durch den direkten offenen Dialog.
Toleranz bedeutet für Thierse auch nicht alles zu akzeptieren, sondern die Meinung des anderen zu respektieren, auch wenn man sie für falsch hält. Ich zitiere an dieser Stelle immer Manfred Rommel, der einmal gesagt hat “Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, aber er hat kein Recht darauf, dass ich sie teile”. Vor dem Hintergrund der Wahrheitsansprüche von Religionen ist es wichtig, dies auszuhalten und nicht Religionen (und die Meinung von Religionslosen) gleichzusetzen bzw. gleichzuschalten.
Prof. Schramm wies darauf hin, dass es in Thüringen rund 700 Juden gibt und durchaus ein Interesse am interreligiösen Gedankenaustausch besteht. Auch der Imam Abdullah Dündar (in Erfurt leben rund 1.200 Moslems und in Thüringen rund 7.800) griff dies auf. Als Ansprechpartner der Landesregierung für Antidiskriminierungsfragen begrüße ich es ausdrücklich, dass der heutige Abend einen Beitrag zu einer ausgesprochenen sachlichen Diskussion lieferte. Unterschiede bestehen und dürfen nicht verwischt werden – aber das miteinander reden ist der wichtigste Ansatz.
Zutreffend stand auch bereits im Einladungstext: “Das Verständnis für die Besonderheit von Religionen nimmt besonders dort ab, wo keine Erfahrungen mit Religionen gemacht werden.” sowie “Tiefe Verunsicherung, Angst und daraus erwachsende Abwehrhaltungen sind besonders dort zu finden, wo der Bevölkerungsanteil mit Migration marginal ist.”
Beides trifft insbesondere in den neuen Bundesländern zu.