Stadtrat immer noch mit Maskenpflicht
Reichlich Gesprächsbedarf gab es bei der gestrigen Stadtratssitzung. Obwohl die Tagesordnung mit rund 50 Punkten noch recht moderat war, zog sich die Sitzung bis 23.30 Uhr. Zu mehreren Tagesordnungspunkten gab es viel zu erklären, zu begrüßen und zu bekräftigen. Leider führen wir im Stadtrat zunehmend Diskussionen, die eigentlich in die Fachausschüsse gehören. Häufig passiert es auch, dass vorbereitete und aufgeschriebene Reden vorgetragen werden müssen, obwohl schon alles dazu gesagt wurde. Beklagen braucht sich darüber keine Fraktion – alle tragen dazu bei, dass das Ehrenamt Stadtrat sehr zeitintensiv ist.
Bei der gestrigen Beratung gab es gleich mehrere Themen, die bereits thematisch zu der Haushaltsberatung hinführen, die im Juli sein wird. Gravierende Auswirkungen auf künftige Haushalte der Landeshauptstadt dürfte unter anderem die Entscheidung zum Bürgerentscheid Radverkehr habe. Eine Mehrheit des Stadtrats entschied, die Forderungen zum Radentscheid in der Ursprungsfassung anzunehmen und dies wird für die Stadt richtig teuer. Rund mehr als 36 Millionen Euro stehen dafür in den nächsten sechs Jahren im Raum (jährlich rund 6,4 Mio.). Fünf Kilometer Radwege an Hauptverkehrsstraßen jährlich, mindestens drei kreuzungsumbauten jährlich und mindestens 600 zusätzliche Stellplätze für Fahrräder jährlich gehören zu den Forderungen. Völlig offen ist, wo das Geld herkommen soll.
Nach Meinung der Grünen dazu sei genug Geld da – dies postulierten sie gestern Abend gleich mehrfach. Als Beleg führten sie dafür mehrfach den Bastionskronenpfad an. Theoretisch mag das eine Deckungsquelle sein – praktisch ist dies aber Unfug. Beim Bastionskronenpfad ist der geringere Teil kommunales Geld. Der größere Teil sind Buga-Fördermittel, die zurückgezahlt werden müssten. Ganz zu schweigen von bestehenden Forderungen aus erfolgten Ausschreibungen und Vergaben. Ich bin entsetzt, über die finanzpolitische Naivität der Grünen und ahne, was uns da bei der Haushaltsdiskussion blüht.
Fakt ist, die Stadt ist pleite und kann ihre wesentlichen Investitionsverpflichtungen nicht abarbeiten. Kitas, Schulen und Sportanlagen, aber auch sonstige städtische Immobilien Straßen und Brücken, können davon ein Lied singen. Den vollmundigen Ankündigungen von Linken und Grünen, man können Schulen auch ohne den KOWO-Deal sanieren folgten in den letzten beiden Jahren keinerlei Aktivitäten. Jeder, der jetzt zusätzliche Ausgaben und Mehrbelastungen beschließt, muss damit die Verantwortung für marode Schulen übernehmen.
Der Oberbürgermeister flüchtete sich gestern Abend wieder einmal in seine Argumentation “Mutti, gib mir mehr Taschengeld!”. Er beschimpfte das Land bezüglich der mangelnden Ausstattung des Kommunalen Finanzausgleichs (KFA). Da kommen die Städte zweifellos schlecht bei weg. Allerdings hat unser Fraktionsvorsitzender berechtigt angemerkt, dass die SPD seit 2014 den Innenminister und die Finanzministerin in Thüringen stellt und weder diese, noch der Rest der rot-rot-grünen Koalition wirksam die Situation der Städte verbessert haben. Rund ein Dutzend Erfurter Stadträte sind bzw. waren in dieser Wahlperiode zugleich Landtagsabgeordnete – zu dem Thema sind sie auffallend schweigsam.
Natürlich kann man das Land, den Bund und die EU beschimpfen, aber davon löst sich kein einziges Problem in unserer Stadt. Alle Kommunen müssen mit ihren Einnahmen wirtschaften. Das Erfurter Problem ist auch kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem. Gestern wurde dem ein neues Mosaiksteinchen hinzugefügt!
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