Gegensätzliches bei den Palästinensern
Am vierten Tag in Israel beginnt nun die Phase in der wir immer mehr Fragen, als Antworten finden. Die Gegensätze in den politischen Positionen werden greifbar und echte Lösungsvorschläge gibt es nicht und dennoch bleibt die Hoffnung. Die Hoffnung hat heute einen konkreten Namen und der lautet „Schmidts Girls College“. Mit unserer Gruppe besuchten wir die katholische deutsche Schule für Palästinensermädchen am Damaskustor und ihren Schulleiter Nikolaus Kircher heute Vormittag. Bereits vor vier Jahren habe ich Herrn Kircher kennen gelernt und freue mich, was er aus der Schule gemacht hat. Wir erlebten im Unterricht hochmotivierte und fröhliche Schülerinnen. 90 – 100 Prozent von ihnen werden nach dem Abitur studieren, viele im Ausland und hoffentlich danach ihr Land mit gestalten. Gleichzeitig erlernen und erfahren sie einen toleranten Umgang mit anderen Religionen. Vom Dach des benachbarten Pilgerhauses hatten wir einen wundervollen Blick auf die Altstadt und das Damaskustor – ein runder und gelungener Besuch.
Nachdenklich haben uns auf der Fahrt nach Ramallah die Mauer und die Checkpoints gemacht. Auch wenn diese Mauer eine ganz andere Funktion hat, weckt sie unangenehme Assoziationen. Ich habe ein ähnliches System von Checkpoints bis jetzt nur zwischen Mexiko und den USA erlebt. Auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung hatten wir im Restaurant Darna in Ramallah mehrere Gespräche mit führenden Palästinensern.
Ein halbes Dutzend Parlamentsabgeordnete, der Leiter des Politischen Ausschusses Abdullah Abdullah und der Kommissar für Auswärtige Angelegenheiten des Fatah Zentralkomitees Dr. Nabil Sha´ath waren unsere Gesprächspartner. Beide betonten die Position der Palästinenser auf ein Land in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt, finanzielle Entschädigung und Rückbau der Siedlungen sowie die Lösung des Flüchtlingsproblems. Die Forderungen sind nicht neu, aber einen realisierbaren Umsetzungsplan hat niemand.
Auch nicht der palästinensische Chefunterhändler für die Israelisch-Palästinensischen Verhandlung Dr. Saeb Erekat. Dr. Erekat war bereits Leiter der Madrider Friedenskonferenz und bereitete Camp David mit vor. Seine jetzige Verhandlungsaufgabe beschrieb er als „schwierigsten Job seit der Vermittlung zwischen Adam und Eva“. Er sei dabei ein Unterhändler ohne Land, Wirtschaft, Armee und Marine. Der Bau der Siedlungen hat Fakten geschaffen, die nur schwer zu verändern sind. Auf der Fahrt nach Ramallah sind wir an Siedlungen vorbeigekommen, die auf israelischer Seite der Mauer sind und bis zu 50.000 Einwohner haben. Sie befinden sich innerhalb der 1967 bestehenden Grenzen und reduzieren den 22 Prozentanteil an Land auf palästinensischer Seite weiter. Eine Lösung dieser Frage ist weit entfernt und wird unmöglich wenn beide Seiten auf ihrem Status Quo beharren. Ungeteilte Zustimmung erhielt Dr. Erekat für seine Position zur Bekämpfung von islamischen Fundamentalismus und Extremismus. Er sagte dazu müsse es Frieden zwischen Israel und Palästina geben und eine Demokratisierung der arabischen Welt müsse stattfinden.
Irritiert hat uns beim Besuch in Ramallah die Grabstätte von Arafat auf der Mukata. Diese Art der „Heldenverehrung“ für einen Mann der für viele Verbrechen die Verantwortung getragen hat stößt unangenehm auf. Ich hoffe der weiße Marmorbau mit daneben stehender Moschee wurde nicht auch noch mit EU-Mitteln bezahlt. Ein großes Dankeschön an die Konrad-Adenauer-Stiftung und deren Landesbeauftragten Felix Dane mit seinem Team und an Konstanze von Gehlen für die Organisation dieses Tages. Wir haben im besten Restaurant Ramallahs wunderbar gegessen, so wie vor uns schon Kofi Annan, Richard Gere und Joschka Fischer, wie die Bilder an der Wand belegten. Besonders lecker (und kalorienreich) Knefe aus Schafs- und Ziegenkäse, gegrillt mit viel süßen Zutaten. Die offenen Fragen und eine gewisse Ratlosigkeit was den Friedensprozess angeht liegen uns aber wahrscheinlich auch noch eine Weile schwer im Magen.
Den Abend beschloss heute ein Besuch an der Klagemauer und danach eine Bummel durch die Neustadt und die Ben Jehuda. In einem kleinen Kellergewölbe lauschten wir den Klängen moderner jüdischer Musik und kamen mit jungen Juden ins Gespräch – so soll es sein!