Trägerkreis vor zweitem Anlauf zum Volksbegehren
Während wir im Landtag noch heftig über den von den Oppositionsparteien eingebrachten Kita-Gesetzentwurf diskutieren (zuletzt im Plenum am Freitag), stellt sich der Trägerkreis “Volksbegehren für eine bessere Familienpolitik” bereits auf einen zweiten Start eines Volksbegehrens ein.
Einem Protokoll der letzten Vollversammlung des Trägerkreises vom 2.9.2008 ist dies zu entnehmen.
Immer deutlicher wird dabei, es geht um den bereits aufziehenden Vorwahlkampf.
Peter Häußler, stellvertretender Sprecher vom Trägerkreis, schreibt dazu an seine Mitstreiter: “Die Hauptbotschaft des Treffens: die Entwicklungen im Parlament machen einen Neustart des Volksbegehrens im kommenden Frühjahr wahrscheinlich. Wir werden dann in eine Wahlperiode geraten, die CDU wird wettern und wir werden antworten: wozu ist ein Wahlkampf denn da, wenn nicht zur Auseinandersetzung um strittige Themen?”
Recht hat Herr Häußler!
Also dann sollten wir doch mal beginnen mit der Auseinandersetzung um den neuen (noch vertraulichen) Gesetzentwurf:
Im Vergleich zum letzten wurde er erheblich gekürzt, um ihn lesbarer bzw. druckbarer zu machen. Der alte Entwurf wurde vom Thüringer Verfassungsgericht abgeschmettert und war zudem so umfänglich, dass er nicht einmal auf ein A3-Blatt passte.
Bei der Straffung wurde nun zunächst das gebührenfreie letzte Kita-Jahr gestrichen, denn Volksbegehren zu Gebühren und Beiträgen sind rechtlich nicht zulässig.
Aus dem gleichen Grund wurde die bisher vorgesehene Begrenzung der Elterngebühren auf den Stand des Jahres 2005 gestrichen.
Den Kürzungsbemühungen fielen schließlich die ursprünglich geplanten Paragraphen zu den Zielen und Aufgaben der Kinderbetreuung und zum Leitungsrat zum Opfer.
Geplant ist nach wie vor die ersatzlose Streichung des Landeserziehungsgeldes und die Auflösung der Stiftung “Familiensinn”. Damit sollte nach Meinung des Trägerkreises genug Geld da sein, um die Personalverbesserungen in den Kitas und die Absenkung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz ab einem Jahr zu finanzieren. Dies bleibt jedoch unrealistische Träumerei.
Von den rund 40 Millionen Landeserziehungsgeld fließen bereits jetzt schon rund 60 Prozent per Abtretungserklärung in die Kitas. Der Rest teilt sich auf zwischen den Eltern die ihre Kinder zwischen dem 2 und 3 Jahr zu Hause betreuen, nach den neuesten Zahlen sind dies 23 Prozent, und den Eltern mit mehreren Kindern, die einen Geschwisterzuschlag erhalten, auch wenn das Kind die Kita besucht. Der neue Gesetzentwurf würde damit insbesondere Eltern mit mehreren Kindern treffen.
Bei der geplanten Auflösung der Stiftung “Familiensinn” übersehen die Kollegen vom Trägerkreis, dass die zusätzliche Einnahme von über 30 Millionen Euro nur einmal zur Verfügung stehen, aber dafür in den Folgejahren auch die familienpolitischen Leistungen der Stiftung separat finanziert werden müssten (jährlich 1,5 Mio Euro).
Die Kosten bei Realisierung des Volksbegehrens haben sich durch die Streichung des gebührenfreien Kita-Jahres zwar wohl um rund ca. 16 Millionen reduziert, aber es bleibt noch eine unrealistische Summe ohne Deckungsvorschlag.
Allein 117 Millionen Euro würde jährlich die Personalaufstockung kosten. Hinzu kommen noch erhebliche Kosten für die Absenkung des Rechtsanspruchs und die Erweiterung des Betreuungsanspruch auf mindestens 10 Stunden täglich
Fazit: Auch der neue Gesetzentwurf wird wohl nicht finanzierbar sein und eventuell vor dem Verfassungsgericht landen.
Bei den strategischen Planungen des Trägerkreises hofft man darauf, dass durch die Landtagswahl im nächsten August vielleicht die Klage entfallen könnte. Dass zwischenzeitlich keine Verbesserung in den Kitas greifen würde, wird billigend bei der Planung der Strategie in Kauf genommen. Überdeutlich wird dies an einem Satz im Protokoll vom 2.9.: “Es besteht jedoch die große Wahrscheinlichkeit, dass sich die Liga mit Almosen abspeisen lassen wird (ab 300 VbE).”
Falls also die Liga als Träger von den meisten Thüringer Kitas einer Kompromissvariante zustimmen würde zwischen dem sozialpolitisch Wünschenswertem und finanzpolitisch Realisierbarem, wird ihr wohl vom Trägerkreis die “Freundschaft” gekündigt.
Wer noch Zweifel daran hat, wer hier politisch sein Süppchen kocht, findet unter der Terminankündigung im Protokoll des Trägerkreises die Antwort: “nächste TK Sitzung am 4.11. bei den LINKEN und AK Gesetz am 9.10. bei der SPD”
Interessenten am neuen vertraulichen Entwurf des Volksbegehrens (Stand Anfang September, unfertige Diskussionsfassung) können ihn von mir gerne per E-Mail erhalten. Schließlich kann die Auseinandersetzung um strittige Themen doch nur hilfreich sein.