Seit Tagen regen sich die Erfurterinnen und Erfurter berechtigt über die Straßen- und Wegesituation bzw. das Winterchaos in Erfurt auf. In den letzten Wochen war ich viel in Thüringer Städten unterwegs – nirgendwo war der Straßenzustand ähnlich schlecht, wie in der Landeshauptstadt.
Zur morgigen Stadtratssitzung wird es eine aktuelle Stunde zum Thema geben. Die FDP hat ihren Antrag mit „The Day After Tomorrow“, dem Titel des Emmerrich-Films „etwas“ dramaturgisch überhöht. Ob es zur Dramaturgie gehörte, dass sowohl FDP, als auch Stadtverwaltung die Antragsvorlage mit dem Wort “Tomorow” statt “Tomorrow” versahen, werden wir erst morgen hören.
Die CDU-Fraktion beriet sich gestern in Vorbreitung der Stadtratssitzung mit dem Geschäftsführer der Stadtwirtschaft. Herr Jahn erläuterte stichpunktartig den aktuellen Stand, der sich wie folgt darstellt:
– der Auftrag zum Winterdienst richtet sich an die Stadtwirtschaft und ggf. an Dritte
– 18 Fahrzeuge – davon vier nur zur Nutzung für Land (Weimar, Gotha, Autobahn Erfurt Ost) sind im Einsatz
– von den 18 Fahrzeugen sind aber derzeit drei defekt
– 50 Leute sind im Einsatz (einschließlich Personal bei Subunternehmern)
– 3 Uhr nachts Arbeitsbeginn, Ziel ist Räumung bis 6 Uhr morgens Arbeitsende i.d.R. 22 Uhr
– zu bewirtschaftendes Straßennetz (nach Dringlichkeit): D1 – 180 km, D2 – 120 km, D3 – bleibt außen vor, ebenso kleine Nebenstraßen
– es gibt 12 geplante Touren im D1 und ggf. dann auch im D2 Bereich, ggf. könnten Touren gekürzt werden und weiter aufgeteilt werden
Das Budget im Haushalt der Stadt Erfurt 2010 beträgt 1,7 Mio. Euro. ABER: Die Kalkulation und Auftragsvergabe entstammt einer Zeit milder Winter (die drei vorangegangenen Jahre). Erst 2012 wird neu vergeben.
Die Mitglieder unserer Fraktion hatten dazu verständlicherweise zahlreiche Anmerkungen:
– die Debatte gab es auch schon zum Winter 2009/2010
– Schnee, Glatteis und Schneeberge behindern insbesondere alte Menschen, Familien mit Kinderwagen, Behinderte und Rollstuhlfahrer
– Bürgerkritik ist intensiv und z.T. sehr emotional beladen
Durch die ganze Diskussion zog sich die Einschätzung: Die Winterliche Probleme werden scheinbar ignoriert. Im Sommer gab es zwar einen umfänglichen Bericht zum Thema, aber im Gegensatz zu anderen Städten (Leipzig, Magdeburg) fehlt in Erfurt eine entsprechende Strategie. Die Wahrnehmung der Bürger ist, es wird zu wenig gemacht. „Scheinbar sind keine Fahrzeuge unterwegs“, „zum Teil sind nicht einmal wichtigste Stellen sowie Hauptstraßen beräumt“ und „Nebenstraßen sind kaum passierbar“ konnten wir in den letzten Tagen hören. Der Imageschaden für Weihnachtsmarkt und den Tourismusbereich kommt noch hinzu. Und berechtigte Fragen sind: Was ist mit Krankenwagen, Feuerwehr, ÖPNV und Müllfahrzeugen?
Die Rechtsprechung bei Schäden oder Verletzungen ist unklar, die EVAG fährt z.T. nicht mehr (Kritik gibt es insbesondere für die Strecke nach Alach). Fazit für uns: Es wird zu wenig Geld eingesetzt. Die Entscheidungsstränge sind zu lang. Es fehlt Technik, der Fahrzeugbestand ist zu gering, überaltert und reparaturanfällig und es ist keine Schneefräse vorhanden.
Die CDU-Fraktion erhebt daher nachfolgende Forderungen:
1. Das Krisenszenario am Tisch des Oberbürgermeisters ist deutlich verbesserungswürdig. Es muss bei extremen Wetterlagen ein fachliches Beratungsgremium unter Leitung des Oberbürgermeisters und des Verkehrsbeigeordneten mit der Stadtwirtschaft und ggf. Dritten wie z.B. dem THW und der Feuerwehr zusammen treten, um sofort Entscheidungen über zusätzlich zu aktivierende Potentiale zu treffen. Ein Mehr-Stufenmodell für den Winterdienst sowohl auf personeller Ebene als auch im Bereich von Drittkräften ist hierfür zu entwickeln.
2. Außerplanmäßig müssen der Situation entsprechend Mittel eingesetzt werden, da es sich bei der Räumung zum Teil um gesetzliche Verpflichtungen für den Baulastträger, also die Stadt, handelt. Die Verkehrssicherungspflicht besteht und muss erfüllt werden. Die bereits seitens der Stadtwirtschaft vorgebundenen Subunternehmen müssen bedarfsgerecht sowohl mit entsprechender Technik als auch Personal abgerufen werden.
3. Die Arbeitszeiten beim Winterdienst sind den Bedürfnissen anzupassen, d.h. insbesondere in den Nachtstunden von 22 Uhr bis 3 Uhr, in denen bis jetzt nicht geräumt wurde, sollten Nachtschichten genutzt werden. Arbeitszeitverlagerungen von Tag auf Nachtschichten können eine optimale Ausnutzung der vorhandenen Technik gewährleisten und den in der Nacht ruhenden Verkehr für bessere und schnellere Räumergebnisse nutzen. Zwischen 6 und 9 Uhr sowie 15 bis 18 Uhr erschweren zusätzliche Räumfahrzeuge in der Innenstadt eher den Verkehrsfluss.
4. Bereitstellung von mehr Haushaltsmitteln bei Beschlussfassung des HH 2011/2012. Die CDU-Fraktion wird sowohl für investive Maßnahmen, als auch für den Winterdienst mehr Mittel beantragen.
5. Verkehrssicherheit muss im D1 Bereich gewährleistet werden, aber auch die Altstadt und der touristische Bereich sind zu berücksichtigen. Zufahrten zu Kindertageseinrichtungen und Schulen sind in die D1-Bereiche neu aufzunehmen.
6. Analog zu anderen Städten soll die Bereitstellung von Behältnissen zur Schneeräumung und der kostenfreie Abtransport für die Bürger durch die Stadtwirtschaft geprüft werden.