Kommunikationsprofis am Werk

Den Fehler hat die Stadt zu verantworten – egal ob vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht!
Das ist “vorsichtig formuliert” schon ein ausgesprochen verwunderlicher Vorgang! Da schreibt die Erfurter Stadtverwaltung (wer eigentlich genau, wird nicht ersichtlich) einen offenen Brief an einen Journalisten der Thüringer Allgemeine Erfurt/TLZ Erfurt bezüglich eines Zeitungskommentars – schon so etwas passiert ausgesprochen selten. Worte wie “Boulevardjournalismus”, “unreflektierte Darstellungen” und schließlich sogar der Vorwurf der “strafrechtlich relevanten üblen Nachrede“ kommen dann in dem Brief vor. Worum geht es eigentlich? Ein Journalist hat einen Zeitungskommentar geschrieben – einspaltig und vom Umfang knapp gehalten. Er kritisiert darin das Handeln der Stadt Erfurt im Vergleich zum erhobenen Anspruch Sportstadt zu sein. In dem Kommentar geht es um die Eishalle, die MTV-Sportstätte, Mieterhöhungen für Sportstätten, Parkgebühren für Übungsleiter und die Sporthalle in Bischleben. Alles, wie in einem Kommentar durchaus üblich, in knappen Worten. Aber offensichtlich hat der Kommentar getroffen – wen auch immer. Im Text war der Oberbürgermeister benannt, also steht zu vermuten, dass er sich getroffen fühlt. Die Verwaltung hat auf den Kommentar reagiert, auch wenn damit kein einziges der angesprochenen Probleme gelöst wird. Passage 1: Selbstlob der Stadtverwaltung mit der Einschränkung, dies bedeute nicht, “dass sämtliche auf der Welt betriebenen Sportarten in Erfurt mit gleicher Intensität gefördert werden”. Passage 2: Ein ziemlich abenteuerliches Schönreden ist in dem Brief dann in einer ganzen Passage zur Sanierung der Erfurter Eishalle zu finden. Diese Passage ist allerdings nach meiner Meinung für die bevorstehende Haushaltsberatung wichtig, denn sie begründet den Haushaltsänderungsantrag der CDU Stadtratsfraktion Erfurt. Passage 3: Jahrelang wird schon die komplizierte Hallensituation des MTV diskutiert, die Mitnutzung der Halle für den Schulsport (weil Hallenkapazitäten fehlen) erschwert natürlich die Arbeit des Vereins – aber die Verwaltung beschränkt sich darauf “den Ball zurück zu spielen”, statt Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Passage 4 und 5: die Mieterhöhungen kann man natürlich immer irgendwie begründen – aber es bleibt ärgerlich, wenn sie Jahre zuvor nicht stattfanden und erst jetzt auffällt, dass es keinen “Sachgrund” dafür gab. Den Sachgrund der Förderung des Kinder- und Jugendsports gibt es aber nach meiner Meinung immer. Ansonsten dokumentiert der Brief die Dünnhäutigkeit des Briefeschreibers (wer auch immer es war). Wenn die gleiche Energie in die Lösung von Problemen und die Antragstellung von Fördermitteln gesteckt würde, wäre dem Sport in Erfurt geholfen. Aber wie wir wissen, scheitert  in Erfurt der eine oder andere Förderantrag an der rechtzeitigen Unterschrift (vorsätzlich oder grob fahrlässig!). So, jetzt will ich aber auch einen offenen Brief von der Stadtverwaltung bekommen!   Nachtrag: So schnell, wie der Brief auf der offiziellen Homepage der Stadt veröffentlicht wurde, ist er auch wieder verschwunden. Wer ihn trotzdem noch einmal lesen möchte, kann sich gerne bei mir melden 😉   Nachtrag zum Nachtrag: Natürlich hat sich das Thema damit noch nicht erledigt. Jetzt will ich es schon genau wissen und habe dem OB die nachfolgende Anfrage geschickt: Anfrage der CDU-Fraktion nach § 9 Abs. 2 der Geschäftsordnung Offener Brief der Verwaltung Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, am heutigen Tage wurde ein “Offener Brief der Verwaltung an den Sportreporter Jakob Maschke” auf www.erfurt.de veröffentlicht, welcher auf einen Kommentar des Reporters in der TA/TLZ abstellt. In dem Offenen Brief prangert die Stadtverwaltung ungenügende Recherchen an und bringt sogar den Begriff der “üblen Nachrede” in Bezug auf den gescheiterten Fördermittelantrag zur Sanierung der kleinen Eishalle ins Spiel. Wenige Stunden nach Veröffentlichung wurde der Text wieder entfernt. Ich bitte daher um die Beantwortung der folgenden Fragen:
  1. Entspricht der Text der Auffassung des Oberbürgermeisters zur Berichterstattung der lokalen Presse?
  2. Plant die Stadtverwaltung künftig regelmäßig auf (negative) Berichterstattung direkt per offenem Brief an den Berichterstatter zu reagieren?
  3. Warum wurde der offene Brief wenige Stunden nach Veröffentlichung wieder gelöscht?
Mit freundlichen Grüßen Michael Panse, Stadtrat   Nachtrag zum Nachtrag zum Nachtrag: Das wird ja eine Never-Ending-Story… Am heutigen Abend war der Brief wieder da. Beim direkten Vergleich sind mit nur drei Unterschiede aufgefallen. Der Punkt 6 wurde hinzugefügt. Die Passage zum Ministerpräsidenten in der es ursprünglich hieß: “Die Darstellung, die der Ministerpräsident in einem Youtube-Smalltalk hierzu gegeben hat, wonach wir die Anträge im „falschen Topf” platziert hätten, war hingegen schlicht falsch. In der Titelgruppe 71 des Einzelplans 4 (Thüringer Ministerium für Bildung. Jugend und Sport) des Landeshaushaltes stehen jährlich rund 30 Mio. Euro für die Förderung von Investitionen im Sport, nicht im Schulbau, zur Verfügung. Der zuständige Minister muss demnach nicht prüfen, ob er eine marode Schulsporthalle in Eisenach oder eben die Eishalle saniert. Ebenso bleibt eben fragwürdig, warum die Eishalle als Trainingsstätte von Sportgymnasiasten nicht unter die prioritären Maßnahmen des Leistungssports fällt. Bei intensiverer Durchdringung des Sachverhaltes hätte man diese Fragen sicher an die Verantwortlichen im Land stellen können. Ihr zugehöriger Zeitungsartikel blieb leider einmal mehr nur an der Oberfläche.” wurde gestrichen. Als drittes gibt es jetzt vier Unterzeichner. Der zuständige Beigeordnete, die beiden Vertreter des Sportbetriebs und der Leiter Amts für Gebäudemanagement. Entschärft wurde der Brief nicht, wenn man von der Passage zum Ministerpräsident absieht. Diese dürfte wohl auch nur auf Intervention des Beigeordneten mit der gleichen Parteizugehörigkeit geschehen sein. Ich glaube das Thema ist noch nicht vorbei…

Ein Gedanke zu „Kommunikationsprofis am Werk“

  1. Hallo Herr Panse,
    seinerzeit habe ich auch den Artikel des Herrn Maschke gelesen und gedacht – da wird die Stadtverwaltung wohl zu recht ihr Fett wegbekommen haben. Jetzt habe ich mal selbst unmittelbar mitbekommen, wie Herr Mascke „Meinung schafft“. Im Artikel „Aufregung um schwer verletzten Erfurter Nachwuchsspieler“, TA vom 31.08.2023, wird in fragwürdiger Weise aus einem spieltäglichem Vorgang ein Skandalartikel verfasst. Die anschliessende Kommunikation mit dem Journalisten war wie die mit seinen Arbeitgebern mehr als unbefriedigend. Das TA-Abo ist nun gekündigt – diese Kundenfreiheit habe ich trotzt Pressefreiheit. Geblieben ist bei mir zudem die Erkenntnis, dass die Stadtverwaltung seinerzeit mit ihrem offenen Brief vielleicht doch nicht so falsch lag. Es mag sein, dass die Presse frei ist, dies bedeutet jedoch nicht schrankenlos.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert