Landtagsdiskussion
Heute hat der Thüringer Landtag unter dem Tagesordnungspunkt 6 das Gesetz zum neuen Landesprogramm solidarisches Zusammenleben der Generationen und die Abschaffung der Stiftung Familiensinn beraten und danach beschlossen. Nachdem die Stiftung 2005 per Gesetz im Landtag gegründet wurde (ich durfte damals zur Gesetzesbegründung im Landtag reden) wurde sie heute wieder abgeschafft. Ich habe die heutige Diskussion am Laptop aufmerksam verfolgt.
Nach den Ausschussberatungen der letzten Wochen war die rot-rot-grüne Mehrheit, trotz eines Änderungsantrages der CDU, für die heutige Beschlussfassung vorhanden und auch die AfD sprach sich für die Auflösung der Stiftung aus. Das kann man schon machen, dafür beschließt der Landtag Gesetze. Allerdings war die Begründung der Rednerinnen der die Regierung tragenden Fraktionen und der AfD-Dame in weiten Teilen schon erbärmlich.
Als wesentlicher Auflösungsgrund wurde ein Gutachten des Landesrechnungshofes von 2011 bemüht. Es reizt mich durchaus einige Dinge zum Thema anzumerken, aber nun ist es ja entschieden. Insofern nur einige kurze Bemerkungen. Das neue Landesprogramm solidarisches Zusammenleben der Generationen finde ich richtig. Es gibt den Thüringer Kommunen mindestens 10 Millionen Euro und die Eigenverantwortung für Entscheidungen über die lokale Förderung von Familienangeboten. Damit ist ein großer Teil der Arbeit der Stiftung FamilienSinn, die Förderung der Familienzentren (immerhin 16 in ganz Thüringen mit rund 700.000 Euro jährlicher Förderung), auf die kommunale Ebene verlagert.
Schwierig wird es hingegen für alle anderen Bereiche, die bis jetzt bei der Stiftung waren – die Förderung von Familienverbänden, Familienferienstätten, Familienbildung, Familienerholung für sozial bedürftige Familien, den Thüringer Familienpreis und Modellprojekte. Für alle diese Bereiche ist bis zur Vorlage einer entsprechenden Richtlinie die weitere Förderung ungewiss und selbst dann haben sie maximal Bestandsschutz. Neue Projekte werden erst entstehen und gefördert werden können, wenn es in zwei Jahren einen Landesfamilienförderplan gibt. Der fachliche Diskurs über Familienpolitik findet künftig auch kaum statt – jedenfalls nicht auf Landesebene. Beratungsgremien, wie ein Landesfamilienrat sollen erst noch gegründet werden.
Es hätte gute Gründe gegeben, die Stiftung FamilienSinn zu erhalten. Neu strukturiert oder inhaltlich mit der Stiftung Hand in Hand zusammen geführt, währen die vorstehenden Aufgaben besser zu organisieren, als mit noch vagen Versprechungen. Ich bedauere die heutige Entscheidung der Auflösung der Stiftung Familiensinn. In den letzten dreieinhalb Jahren habe ich als Leiter der Elternakademie gerne die inhaltlichen Themen bei der Stiftung FamilienSinn bearbeitet.
Homepage des Ministeriums
„Heute ist ein guter Tag für Thüringen“ so posteten es Grüne, Linke, Sozialdemokraten und die Landesregierung. Natürlich meinen sie damit nicht die Situation im Freistaat im Allgemeinen, sondern ihre persönlichen Verdienste im Besonderen.
Überschwänglich feiert Rot-Rot-Grün, dass nach der gescheiterten Gebietsreform doch noch etwas aus dem Regierungsprogramm abgehakt werden kann. Das ist aus ihrer Sicht verständlich, aber natürlich ist die Opposition dann dazu da, kritische Anmerkungen zum Thema zu machen. Viele Jahre habe ich mich sehr intensiv mit den verschiedenen Kita-Gesetzen des Landes beschäftigt und erlaube mir daher auch etwas Wasser in den Wein der links-link-grünen Freudestrunkenheit zu gießen.
Politisches Fernziel ist für Rot-Rot-Grün die generelle Gebührenfreiheit. Das ist nicht neu, versprochen wurde dies schon vor sieben Jahren. Landtagswahlkämpfe hat die SPD mit der Forderung bestritten und selbst der Erfurter Oberbürgermeister hat dies vor fünf Jahren schon versprochen. Angekommen in der Realität blieb die Feststellung, dass das Geld für maximal ein Jahr Gebührenfreiheit reicht und auch dies nur, wenn vorher den Eltern das Landeserziehungsgeld weggenommen wird. Alle weitergehenden Forderungen wurden mit Verweis auf den Bund „vertagt“.
Ich persönlich finde es richtig, dass man Eltern von Kitagebühren entlastet. Das hilft den Eltern, die derzeit Gebühren bezahlen. Je mehr sie derzeit bezahlen, desto mehr werden sie entlastet. Aber da wird es politisch schon schwierig. Um 1.440 Euro werden Eltern durchschnittlich für dieses eine Jahr entlastet und für 18.000 Vorschulkinder müssen die Eltern keine Gebühren mehr bezahlen. Beides verkündete der Minister heute stolz in seiner Landtagsrede und auf der Homepage des Ministeriums. Bei Licht betrachtet relativiert sich der Glanz.
Mit dem Durchschnitt ist das so eine Sache, denn viele Eltern werden von Nichts oder nur wenig entlastet. Dies betrifft rund ein Viertel bis ein Drittel der Eltern der 18.000 Kinder (das wären dann 4.000 – 6.000 Kinder). Verschwiegen hat Rot-Rot-Grün nämlich, dass ein Viertel bis ein Drittel der Eltern bereits jetzt keine Gebühren bezahlen. Dies betrifft Sozialleistungsempfänger, Kinder aus den meisten Migrationsfamilien, viele Alleinerziehende und Eltern mit niedrigen Einkommen. Unter dem Stichwort wirtschaftliche Jugendhilfe ist das im § 90 des SGB VIII klar geregelt und dies ist natürlich richtig. Darüber hinaus führt die soziale Staffelung dazu, dass Eltern mit niedrigen Einkommen in der Regel wenig bezahlen und Eltern mit Höchsteinkommen relativ viel bezahlen. Genau in dem Umfang werden sie jetzt entlastet. Das kann man richtig finden – ich bleibe aber dabei, dass mich diese Position nun ausgerechnet bei Rot-Rot-Grün überrascht.
Bemerkenswert ist ein weiteres Thema. Rot-Rot-Grün hat sich entschieden, dass letzte Kita-Jahr gebührenfrei zu stellen. Das ist mit Verlaub ordnungspolitischer Unfug! Richtiger wäre es, den Einstieg in die Kita zu erleichtern und das erste Kita-Jahr gebührenfrei zu stellen oder im Idealfall den Eltern mit einem Gutschein die Wahloption zu geben, wann sie das gebührenfreie Jahr einsetzen wollen. Erklären konnte oder wollte das heute keine der Rednerinnen im Landtag. Der Minister versuchte es, aber lief prompt damit auf. Das Ziel sei der Bildungserfolg und man wolle daher erreichen, dass möglichst viele Kinder vor der Einschulung eine Kita besuchen und nicht die soziale Herkunft dürfe darüber entscheiden, ob ein Kind eine Kita besucht, erklärte er.
Leider hat ihm keiner vorher gesagt, wie die Realität in Thüringen aussieht. Konstant 95 – 97 Prozent der Kinder besuchen im letzten Kita-Jahr seit vielen Jahren eine Kita. Es gibt keinerlei Indiz, dass die verbleibenden 3-5 Prozent besonders schwierige Fälle seien. Die soziale Herkunft dient da ebenfalls nicht als Argument, schließlich dürfen Kinder mit Migrationshintergrund oder aus Familien im Sozialhilfebezug bereits jetzt kostenfrei eine Kita besuchen. Ich bin sehr neugierig wie die Erfolgsbilanz des Ministers dann in zwei Jahren aussieht, also wie viele Eltern animiert wurden, zusätzlich ihre Kinder in die Kita zu bringen – vielleicht werden es ja über 100 Prozent.
Die CDU-Landtagsfraktion hat hingegen gefordert, das Geld lieber in die Verbesserung der Betreuungsqualität zu investieren. Rot-Rot-Grün verwies dazu darauf, dass das ja zumindest für einen Jahrgang geschehen würde (die 3-4 Jährigen). Generell wird es dabei zum Problem, ausreichend zusätzliche Fachkräfte zu gewinnen. Das linke Rezept dagegen lautet, es gäbe viele Erzieherinnen, die nur 27 – 30 Wochenstunden arbeiten und die könnten doch aufstocken. Auch da sieht die Realität ernüchternd aus. Versuche, Stundenzahlen hoch zu fahren, scheitern oft an der Altersstruktur in den Kita. Insbesondere ältere Kolleginnen wollen jetzt die Stundenzahl auch nicht mehr hochfahren.
Mein Fazit des Tages: „Heute ist ein guter Tag für viele Eltern deren Kinder eine Kita besuchen und die derzeit im letzten Kita-Jahr Gebühren zahlen müssen. Heute ist auch ein guter Tag für die Kita-Leiterinnen in kleineren Kitas (dort wird der Schlüssel verbessert). Und heute ist eine guter Tag für die Betreuungsqualität der 3-4 Jährigen.“ Alle anderen Thüringerinnen und Thüringer und insbesondere die Eltern müssen für sich selbst beurteilen, ob sie den Tag heute nun besonders gut finden.
Im Februar mit Marion Rosin in Jerusalem
Ungeheuerliches ist im Freistaat Thüringen geschehen – so zumindest ist der Eindruck am Tag danach, wenn man sich die Medienlandschaft und die politischen Reaktionen auf einen nicht ganz so ungewöhnlichen Vorgang ansieht. Gestern hatte die Landtagsabgeordnete Marion Rosin ihren Austritt aus der SPD-Fraktion und ihren Eintritt in die CDU-Fraktion erklärt und dazu eine umfängliche persönliche Erklärung abgegeben.
Die CDU-Landtagsfraktion nahm Marion Rosin einstimmig auf – soweit so gut und erfreulich. Jetzt müssen eine Menge Formalien geklärt werden, Büro, Ausschussbesetzung, Gremienvertretung und einiges mehr. Das ist nicht neu und auch nicht ungewöhnlich. Im Landtag ist es in dieser Wahlperiode schon der fünfte Wechsel. Drei AfD-Abgeordnete haben ihre Fraktion verlassen – einer davon ist zur SPD gegangen, die anderen beiden sind fraktionslos. Jürgen Reinholz hat die CDU-Fraktion verlassen und ist ebenfalls fraktionslos.
Die Erklärung von Marion Rosin für ihren Wechsel ist bemerkenswert, weil sie dabei mit Rot-Rot-Grün im Allgemeinen und mit den Linken im Besonderen abgerechnet hat. Dies scheint die einstigen Weggefährten besonders getroffen zu haben und so ergehen sie sich nun in beleidigten Reaktionen. Der Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee machte den Anfang und postete bereits am Abend vor dem Wechsel auf seiner offiziellen Facebook-Seite:
“Die Thüringer SPD-Landtagsabgeordnete Marion Rosin wechselt zur CDU. Angekommen bei den Wendehälsen. Den geringsten Widerstand fest im Blick. Gratulation. Enttäuschung, ja. Die Freunde in den Hintern getreten um des eigenen Egos willen. Bitte versuch’ nicht, mit Überzeugungen zu argumentieren, ich glaube Dir nichts mehr. Du hast den offenbar seit langem unbequemen roten Schafspelz abgelegt. Sehr tief kann die sozialdemokratische Überzeugung nicht gewesen sein: Man wirft nichts leichtfertig weg, was in einem tief verwurzelt ist. Marion, nimm Deinen Mann mit zu Deiner neuen Heimat und werdet glücklich. Wir jedenfalls brauchen Menschen, die nicht das erste Lüftchen umbiegt. Besser sind die, die Überzeugung und Haltung auch in schwierigen Zeiten bewahren.”
Die dauerempörte Grüne Astrid Rothe-Beinlich hielt sich etwas kürzer, aber nicht besser:
“Völlig daneben… fairer Umgang geht anders… SPD-Abgeordnete Marion Rosin wechselt in die CDU-Fraktion” und “Die über Nacht sich umgestellt zu jedem Staat bekennen das sind die Praktiker der Welt man kann sie auch Halunken nennen. Heine”
Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD Dorothea Marx tobte ebenfalls mit etwas zeitlicher Verspätung nach. In bester Honecker-Manier erklärte sie “Reisende soll man nicht aufhalten“. Etliche andere ehemalige Weggefährten forderten gar die Mandatsrückgabe. Alle handelnden Akteure verdrängten dabei völlig, wie die SPD mit wehenden Fahnen den AfD-Abgeordneten Helmerich in ihre Fraktion integrierte. Sie verdrängen, dass Fraktions- und Parteiwechsel in einer Demokratie etwas normales sind. Und sie verdrängen, dass sie für die Ursachen mitverantwortlich sind.
Ich habe Marion Rosin bei einer Reise der Landeszentrale für politische Bildung im Februar nach Israel kennengelernt. Wir haben in den zehn Tagen viele Gespräche führen können und ich habe ihre Distanz zu den linken und grünen Teilnehmern unserer Reisegruppe spüren können. Marion lag weder inhaltlich noch sonst irgendwie mit denen auf einer Wellenlänge. Und ich habe sie auch irgendwann einmal Abends in Jerusalem gefragt, warum sie sich diese Koalition antut und ob sie statt der SPD nicht besser bei der CDU aufgehoben wäre. Damals war das noch kein Thema, aber um so mehr freue ich mich, dass es dann doch schnell ging.
Herzlich Willkommen liebe Marion Rosin in der CDU! Das beleidigte Nachtreten ehemaliger Weggefährten ist der beste Beleg dafür, dass dein Schritt richtig ist!
Fragen kostet ja nichts….
Mündliche Anfrage dienen im Thüringer Landtag hin und wieder dazu, Klärung zu unterschiedlichen Auffassungen herbei zu führen. In der Regel nutzen die Abgeordneten die Antworten auf ihre Anfragen gerne zur Öffentlichkeitsarbeit – wenn sie sich in ihrer Meinung bestätigt fühlen.
Bei den zwei Anfragen von Frank Warnecke und Karola Stange zum Sozialticket, werden wohl beide darauf verzichten, deshalb helfe ich ihnen gerne 😉 Im Vorfeld der gestrigen Landtagssitzung hatte Frau Stange noch vollmundig angekündigt, sie wolle „kommunale Parlamente stärken und das Sozialticket retten“. Sie bedauerte, dass sich die Stadtverwaltung nicht gegen das Landesverwaltungsamt behaupten könne. Deshalb werbe sie dafür, das Landesverwaltungsamt „auf ein zeitgemäßes Maß“ zu Recht zu stutzen. Mit der Beantwortung ihrer Anfrage dürfte sie nun sehr unzufrieden sein.
Pikanterweise hat beiden Fragestellern der ehemalige Erfurter Beigeordnete und jetzige Staatsekretär Udo Götze geantwortet und dabei die Auffassung des Landesverwaltungsamtes ausdrücklich bekräftigt. Leider gibt es den Text noch nicht in verschriftlichter Form sondern nur als Videodokument (ab Minute 8.10) – ich habe es mit Interesse verfolgt. Ich bin sehr erstaunt, dass der Kollege Warnecke und die Kollegin Stange, die nun beide über erhebliche kommunal- und landespolitische Erfahrung verfügen, immer noch eher wie trotzige Kinder reagieren und das Sozialticket fortführen wollen – koste es was es wolle.
Schuld an der gegenwärtigen Situation ist definitiv nicht das Landesverwaltungsamt. Schuld ist eine jahrelang verfehlte Haushalts- und Finanzpolitik, die Herr Warnecke als Fraktionsvorsitzender der SPD und Frau Stange als langjährige Kommunalpolitikerin der Linken gemeinsam mit ihrer rot-rot-grünen Stadtratsmehrheit und dem Oberbürgermeister zu verantworten haben. Der Versuch, dem Landesverwaltungsamt die Schuld zu zu weisen ist unredlich. Nicht das “böse Landesverwaltungsamt” verbietet uns kommunale Spielräume zu nutzen, sondern diese Spielräume sind angesichts von fehlenden Millionen im Haushalt gar nicht da. Das Gegenteil ist der Fall, das Landesverwaltungsamt schützt uns vor Tagträumereien und Stadtratsbeschlüssen, die Geld ausgeben was gar nicht da ist.
StS. Udo Götze erklärt bei der Beantwortung, wie die kommunalrechtliche Situation diesbezüglich ist. Maßgeblich sei für die Weiterführung gemäß §61 „…ob die Leistung für die Weiterführung einer notwenigen Aufgabe unaufschiebbar ist“. In jedem Fall sei die Verwaltung für die Beurteilung dessen zuständig und nicht der Stadtrat. Er erläuterte auch wie das Problem zu heilen sei – einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und dann beschließen. Vorlegen muss ihn der Oberbürgermeister – wenn er kann. Danach kann umgeschichtet oder beschlossen werden – wenn überhaupt genug Fleisch am Knochen ist!
Ich hoffe, dass im Erfurter Stadtrat Realität Einzug hält und nicht Tagträumereien. Wer heute immer noch den Bürgern Leistungen verspricht, die nicht realisierbar sind ist weit entfernt von verantwortungsvoller Politik.
Mündliche Anfrage MdL StangeMündliche Anfrage MdL WarneckeLink zum VideomitschnittPressemitteilung von Frau Stange
Unter Linken im sächsischen Landtag
Als ich das Buch vor knapp einem halben Jahr vom sächsischen Landtagsabgeordneten Alexander Krauß geschickt bekommen habe, hatte ich erst die Befürchtung, dass der Buchtitel auf die Dauer der bevorstehenden links-link-grünen Koalition in Thüringen hinweisen solle.
Jetzt habe ich endlich die Zeit gefunden, dass Buch von Gerhard Besier zu lesen und zunächst fest gestellt, dass es sich dabei um eine Retrospektive handelt. Besier saß für eine Wahlperiode für die Fraktion der Linken von 2009 bis 2014 im sächsischen Landtag.
Seine ausgesprochen frustrierenden Beobachtungen verarbeitete er Ende 2014 in einem Buch. Vor der Nominierung für den Landtag war er bei den Linken eingetreten und nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag bzw. seinem erfolglosen Versuch einen Listenplatz zu erlangen trat er wieder aus. In einer verschriftlichen Abrechnung teilt e so ziemlich gegen jeden und alles aus. Dies ist auch die Schwäche seines Buchs. Die vielen richtigen und treffenden Beobachtungen und die beißende Kritik an allen Parteien relativiert sich, weil nur einer bleibt der es hätte besser machen können, der es besser gewusst hat und eigentlich schon immer gesagt hat – und dies ist Besier selbst.
Insbesondere seine ehemalige Partei inklusive ihrer Funktionärsriege bekommt richtig was ab. Dies war von den Linken nicht so geplant und auch nicht vorhersehbar, als der frühere Direktor des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, ein bekennender Liberalkonservativer und Anhänger Helmut Kohls gefragt wurde, ob er für den Landtag kandidieren wolle. Sein Ursprungsziel, die Linke für 2014 und damit den Machtwechsel in Sachsen fit zu machen, geriet schnell aus dem Focus. Er stellte ernüchtert fest, mit welchen personellen Ressourcen er umgeben war.
Das 170 Seiten starke Sachbuch ist relativ schnell gelesen. Es ermöglicht interessante Einblicke in den Politikalltag. Zwar ist das Geflecht der Parteistrukturen bzw. handelnden Personen für Nicht-Sachsen nicht leicht zu durchschauen, aber ich kann feststellen, viel anders ist es in Thüringen auch nicht.
Ich bin mit dem Buch durch, wer es lesen mag, dem borge ich es auch gerne. Vielen Dank noch einmal an Alexander Krauß nach Schwarzenberg in Sachsen.
Ausgesprochen lesenswert finde ich, wenn wir schon einmal bei Politikbeschreibungen sind, das Buch von Manfred Zach. 1996 hat er einen Roman über die Staatskanzlei in Stuttgart geschrieben. In „Monrepos oder die Kälte der Macht“ verarbeitete er seine Erfahrungen in der Stuttgarter Regierungszentrale. Ich habe dieses Buch vom ehemaligen Thüringer Justizminister Andreas Birkmann zu Beginn meiner Landtagszeit geschenkt bekommen und begeistert mehrmals gelesen 😉
Bei der Gedenkveranstaltung im Landtag
Seit vielen Jahren gedenkt der Thüringer Landtag am 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus. Viele Redner waren in den Jahren dazu in Thüringen zu Gast. Wie aber auch bei unseren Zeitzeugengesprächen mit der Konrad-Adenauer-Stiftung wird es für die Zeitzeugen in jedem Jahr auf Grund ihres hohen Alters immer schwieriger die beschwerlichen Reisen auf sich zu nehmen. Heute war Pavel Kohn im Landtag und hielt die Gedenkrede.
Pavel Kohn wurde 1929 in Prag geboren. Nach der Deportation nach Theresienstadt ging sein Leidensweg 1944 weiter nach Auschwitz-Birkenau, in das KZ Blechhammer, Gross-Rosen und Buchenwald. Seine ganze Familie wurde von den Nationalsozialisten ermordet. Nach seiner Rückkehr nach Prag flüchtete er 1967 nach München. Er war als Theaterwissenschaftler, Journalist und Schriftsteller tätig. Heute berichtet er als Zeitzeuge aus der Leidenszeit, dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Sowohl Landtagspräsident Christian Carius, als auch Ministerpräsident Bodo Ramelow schlugen den Bogen in die heutige Zeit. In dieser Woche werden noch mehrere Veranstaltungen in Erinnerung an den 27. Januar 1945, dem Tag an dem Auschwitz befreit wurde, stattfinden. Mahnung und Gedenken – beides bleibt wichtig!
Blick in den leeren Plenarsaal
Genau eine Woche ist es her, dass Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt wurde und anschließend seine Regierungsmannschaft berufen hat. Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF) ist Heike Werner aus Leipzig.
An den neuen langen Namen des Ministeriums werden ich die Mitarbeiter und Kooperationspartner noch gewöhnen müssen.
Den Fachbereich Jugend und Sport gibt das Ministerium an das Kultusministerium ab, die Ausländerbeauftragte gehört künftig zum Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und der Bereich Arbeit wechselt vom Wirtschaftsministerium in das TMASGFF.
In dieser Woche habe ich die neue Ministerin unseres Hauses gleich drei Mal erlebt. In einer Beratungsrunde mit den Beauftragten und Abteilungsleiter stellte Ministerin Werner ihre Schwerpunktziele für die Wahlperiode vor. Im wesentlichen bezog sie sich dabei auf den Koalitionsvertrag. Bei der Beratung mit dem Landesbehindertenbeirat ging es dann insbesondere um das angekündigte Gleichstellungsgesetz. Und heute schließlich stellte Ministerpräsident Ramelow in einer Regierungserklärung noch einmal das Gesamtprogramm im Landtag vor.
Gut zweieinhalb Monate nach der Landtagswahl kam dazu der Landtag zu seiner 3. Sitzung zusammen (die erste konstituierende Sitzung war am 14. Oktober und die zweite war die Ministerpräsidentenwahl letzte Woche). Ich habe die Landtagssitzung ähnlich wie sonst auch erlebt – eben dieses Mal nur mit vertauschten Rollen.
Bodo Ramelow erklärte, dass Thüringen gut dasteht, aber die neue Regierung das Land weiter voran bringen will (ohne neue Schulden). Der CDU-Fraktionsvorsitzende und Oppositionsführer Mike Mohring ging mit der Regierungserklärung hart ins Gericht. Die neue linke Fraktionsvorsitzende verteidigte den Ministerpräsidenten und SPD sowie Grüne sekundierten. Stimmung kam noch einmal auf, als der Fraktionsvorsitzende der AfD kräftig nachlegte.
Ich glaube es wird in den nächsten Monaten zwischen den fünf Landtagsfraktionen heftig zur Sache gehen und der Landtagspräsident Christian Carius wird gut zu tun haben. Heute war sein Zitat des Tages “Wir sind hier nicht am Wühltisch bei Karstadt” während MP Ramelow sprach und heftig Unruhe im Saal war.
Der neue Sitzplan
Heute hat sich der Thüringer Landtag für seine 6. Wahlperiode konstituiert und ist erstmalig zusammen gekommen, um ein Landtagspräsidium zu wählen. Ich habe die Konstituierung von der Zuschauertribüne verfolgt.
Als Beauftragter der Landesregierung habe ich zwar (derzeit noch) einen Sitz im Plenarsaal, aber zur konstituierenden Sitzung blieben sowohl die Plätze der Landesminister, als auch der Staatssekretäre und Beauftragten frei. Die Minister die auch Landtagsabgeordnete sind hatten ihre Plätz in ihren Fraktionsreihen.
Irgendwie war es schon ein merkwürdiges Gefühl so von der Tribüne auf das Treiben im Saal zu schauen. Bisher kannte ich nur den Blickwinkel von den Abgeordnetenstühlen in der 3. und 4. Wahlperiode und vom Platz des Beauftragten hinter der Landesregierung in den Saal.
Bevor es mit der offiziellen Eröffnung los ging, gab es schon die erste Amtshandlung der Alterspräsidentin. Sie musste eine Abgeordnete der Linken auffordern ihre Kleiderordnung zu verändern. Das Sweatshirt mit der Aufschrift “FCK AFD” ist als nonverbale Kommunikation nicht zulässig und sie musste es ausziehen. Zum Glück hatte sie sich was drunter angezogen, aber auch dies war nicht zulässig, weil darauf die Aufschrift “FCK NZS” stand. Mehr ausziehen ging nicht, also bekam sie von der Landtagsverwaltung was zum Anziehen – ein weißes neutrale T-Shirt. Wenn diese Truppe mit solchen Auftritten Regierungsverantwortung übernehmen will, wünsche ich schon einmal viel Kraft dem künftigen Landtagspräsidium.
…und der Blick von der Besuchertribüne
Das Präsidium wurde nach einer Diskussion und Abstimmung über die Anzahl der Stellvertreter gewählt. Die Grünen hatten sich gerne wieder einen Stellvertreterposten gewünscht (was so in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen ist). Dabei hätte auch die AFD einen Stellvertreter bekommen. Die hätten zwar die Grünen billigend in kauf genommen, aber nicht die anderen und noch nicht einmal die AFD selber wollte dies. Nach einer Gegenrede der Linken wurde damit der Antrag der Grünen als erster Antrag der neuen Wahlperiode abgelehnt.
Der ehemalige Verkehrsminister Christian Carius wurde mit 63 Ja-Stimmen bei 14 Nein-Stimmen und 14 Enthaltungen gewählt (die Linke hat 28 Mandate im Landtag). Postwendend erhielt dann die linke Landtagsvizepräsidentin Margit Jung nur 51 Ja-Stimmen bei 32 Nein-stimmen und 8 Enthaltungen. Uwe Höhn (SPD) bekam 69 Ja-Stimmen bei 11 Nein-Stimmen und 11-Enthaltungen. Angesichts dieser Zahlen bleibt viel raum für Spekulationen für künftige Wahlen im Landtag.
Der Vorsitzende der CDU Fraktion im Erfurter Stadtrat Michael Panse ist am Freitag mit großer Mehrheit als Direktkandidat für den Wahlkreis 25 Erfurt 2 nominiert worden.
Panse saß bereits von 1999 bis 2009 im Thüringer Landtag und war sozialpolitischer Sprecher der Fraktion. „Ich werde meine ganze Kraft darauf verwenden, diesen Wahlkreis zurück zu erobern“, betont Panse. Schwerpunkt seiner politischen Arbeit sind nach wie vor die Sozialpolitik und die Generationengerechtigkeit.
Als Beauftragter für das Zusammenleben der Generationen ist Panse seit drei Jahren im Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit unter anderen mit diesem Themenbereich beschäftigt.
Gespräche am Rande der Demo vor dem Landtag
Heute hat der Thüringer Landtag die Neufassung des Gleichstellungsgesetzes von 1998 beschlossen. Künftig sollen 40 Prozent der Führungspositionen im öffentlichen Dienst von Frauen besetzt werden. In den Thüringer Ministerien erfüllt derzeit lediglich das Sozialministerium diese Quote. Das Gesetz wurde im Landtag mit 41 zu 31 Stimmen von der Regierungskoalition aus CDU und SPD beschlossen.
Vor dem Thüringer Landtag gab es am Vormittag Protest – weniger gegen das Gesetz, sonder eher gegen ein Passage des Gesetzes. Erstmals wurde in einem Gleichstellungsgesetz festgelegt, dass auch Männer als Gleichstellungsbeauftragte gewählt werden können. Der Landesfrauenrat, die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sowie die Landtagsopposition der Linken und der Grünen.
Vor der Plenarsitzung nutzte ich noch die Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Landesfrauenrat. Den dabei vorgebrachten Vorschlag nach einem paritätischen Modell, also wenn die Stelle des Gleichstellungsbeauftragten mit einem Mann besetzt wird soll es eine Stellvertreterin geben und umgekehrt, halte ich für eine gute Idee. Mal sehen, ob sich dies noch auf dem Verordnungsweg klären lässt.
Durchaus interessant war auch die Diskussion im Landtag zur aktuellen Stunde über die Familienpolitik. Die Diskussion zum Antrag der Linken zur Fortführung des Gesetzes über die verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen hätte mich schon sehr interessiert, aber der Antrag wurde kurzfristig zurückgezogen. Vor gut fünf Jahren habe ich dieses Gesetz initiieren können und ich denke es hat sich bewährt. Die Anzahl der Vorsorgeuntersuchen ist deutlich gestiegen und genau dies war auch das primäre Ziel. Trotz Kritik vom Landesrechnungshof sollte das Gesetz verlängert werden. Das TMSFG arbeit bereits an einem Entwurf dazu.
Etliche Themen sind heute schon abgeräumt – morgen geht die Landtagssitzung weiter.
Bilder von der Protestdemo des Landesfrauenrates